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Entwicklung Vergabepraxis Stadionverboten und Frankfurter Situation (1)

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Stadionverbote und ihre Folgen für die Kurve

(sm) „Eintracht aktuell“ – so nennt Fgv diese Rubrik, unter der wir über die aktuellen Geschehnisse und Entwicklungen rund um Eintracht Frankfurt berichten, Hintergründe und Zusammenhänge beleuchten und das Handeln der verschiedenen Personen transparenter machen wollen. Das relativ häufige Erscheinen von Fgv (monatlich) bringt es mit sich, dass nicht jedes Mal mehr oder minder sensationelle Neuigkeiten debattiert werden können – zumal es in den letzten Jahren eher ruhig zugeht, im Eintracht-Umfeld.

Dieses Mal gäbe es zwar durchaus Themen, die eine nähere Betrachtung verdienen würden (und gewiss in kommenden Ausgaben von Fgv auch erhalten werden). So meldete die Frankfurter Rundschau bspw. am Tage des Spiels in Vigo, dass die sog. „Freunde der Eintracht“ ihren Anteil an der Eintracht Frankfurt Fußball AG an ein Konsortium aus fünf Banken (DZ Bank, die Helaba, die BHF-Bank, die Commerzbank sowie das Bankhaus Metzler) übertragen wird. Außerdem ist dieser Tage eine Klage der SpVgg. Unterhaching gegen die Eintracht und den damaligen Vorstandsvorsitzenden Volker Sparmann durch das Landgericht Frankfurt abgewiesen worden. Zu „normalen“ Zeiten würde sich dieser Artikel wohl vor allem diesen Ereignissen widmen.

Aber die Zeiten sind nicht „normal“, jedenfalls nicht für die Frankfurter Fanszene, an die wir uns ja in erster Linie wenden und der wir selbst angehören. Hier gibt es vielmehr ein zurzeit alles beherrschendes (und alle anderen Themen überlagerndes) Thema: Stadionverbote und ihre Auswirkungen auf die Kurve, auf die Fanszene und deren Verhältnis zur Eintracht Frankfurt Fußball AG. Aller Voraussicht nach wird zum Heimspiel gegen Bielefeld – zu dem diese Ausgabe der Fgv erscheint – eine größere Aktion stattfinden; vermutlich ein Boykott der ersten Halbzeit (der Block 40 B soll nach Möglichkeit die ersten 45 Minuten leer bleiben). Die genauen Planungen und Details standen aber zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Fgv beschäftigt sich daher an dieser Stelle nicht mit dieser konkreten Aktion, sondern mit den Hintergründen und Problemfeldern, die zu diesem Schritt führten.

 

Bevor auf die Vorkommnisse bzw. Stadionverbote eingegangen wird, die unmittelbar den Anlass zu den jetzigen Diskussionen und Aktionen bildeten, soll an dieser Stelle noch einmal kurz zu den Hintergründen der gesamten Problematik der Stadionverbots-Praxis geschrieben werden. In Diskussionen und Gesprächen ist immer wieder festzustellen, dass viele Anhänger über die Rechtslage und die herrschende Praxis weitgehend in Unkenntnis sind. Aufklärung tut also not; und im folgenden soll hierzu ein Beitrag geleistet werden.

 

Wie alles begann

 

Die Anfänge der heutigen Stadionverbotspraxis reichen bis in die 80er Jahre zurück. Damals suchte man Antworten auf das Phänomen des Hooliganismus, das sich – anders als heute, wo sich die nicht mehr ganz so zahlreichen „Anhänger der dritten Halbzeit“ meist zu Treffen auf „Wald und Wiese“ (also abseits aller Unbeteiligten) verabreden – zumeist im Stadion oder jedenfalls im unmittelbaren Umfeld des Spiels austobte. Eine Arbeitsgruppe (mit Vertretern der Innenministerien, des DFB u.a.) wurde einberufen, und Anfang der 90er Jahre präsentierte diese das von ihr entworfene sog. „Nationale Konzept Sport und Sicherheit.“ (NKSS). Dieses basierte im wesentlichen auf zwei Säulen: Zum einen sollten Fanprojekte geschaffen werden, in denen Betreuungsangebote etc. durch fannahe Sozialarbeiter angeboten werden, zum anderen sollten Gewalttäter durch bundesweite Stadionverbote vom Besuch der Fußballspiele abgehalten werden.

 

Während die Fanprojekte (deren Finanzierung zu je einem Drittel das Land, die Kommune und der DFB zu übernehmen haben) angesichts des Zustands öffentlicher Kassen immer mehr ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen, ist die repressive Seite dieses Konzepts – nämlich die Stadionverbote – immer weiter ausgebaut und verfeinert worden.

 

Der DFB hat (wie im NKSS vorgesehen) sog. „Richtlinien für die einheitliche Behandlung der Stadionverbote“ erlassen. Alle Profivereine müssen sich im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens verpflichten, diese Richtlinien anzuwenden und zu beachten – was im Ergebnis bedeutet, dass sich jeder Lizenzverein verpflichten muss, auch die von anderen Vereinen ausgesprochenen bundesweiten Stadionverbote zu respektieren und niemanden trotz bestehenden Stadionverbots in die eigene Spielstätte hereinzulassen.

 

Die Stadionverbots-Richtlinien des DFB

 

Die Richtlinien regeln, wann unter welchen Voraussetzungen von wem und für welche Dauer ein bundesweites Stadionverbot verhängt werden soll. Alle Einzelheiten können hier natürlich schon aus Platzgründen nicht dargestellt werden (die kompletten Richtlinien sind allerdings auf zahlreichen Seiten im Internet veröffentlicht). Die wichtigsten und konfliktträchtigsten Punkte seien hier jedoch genannt:

 

·    Ein Stadionverbot soll u.a. immer dann ausgesprochen werden, wenn die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen einen Fußballfan einleitet, und dieses Ermittlungsverfahren den Vorwurf zum Gegenstand hat, die Person habe anlässlich eines Fußballspiels eine Straftat begangen. Hierzu ist in den Richtlinien ein recht weit gefasster Katalog diverser Strafbestimmungen aufgezählt – schon die Einleitung eines Verfahrens wegen des Verdachts einer solchen Straftat führt also regelmäßig zu einem mehrjährigen bundesweiten Stadionverbot (interessant und wichtig in diesem Zusammenhang: Die „normale“ Beleidigung eines anderen, auch von Polizeibeamten, fällt nicht unter den Katalog der in den Richtlinien genannten Straftaten. Die Beleidigung ist nur im Zusammenhang mit „rechtsextremistischen Handlungen“ genannt, wo neben dem Zeigen verbotener NS-Symbole etc. auch eine „Beleidigung aus rassistischen bzw. fremdenfeindlichen Motiven“ zu einem Stadionverbot führt).

 

·    Das Stadionverbot ist immer vom Heimverein auszusprechen; und zwar auch dann, wenn die (angebliche) Tat nicht im Stadion, sondern in der jeweiligen Stadt begangen worden sein soll.

 

·    Die Dauer eines Stadionverbots beträgt (abgesehen von den eher seltenen „minderschweren Fällen, bei denen die Dauer rund ein Jahr beträgt) je nach Schwere des Tatvorwurfs stets die restliche Saison plus 3 Jahre oder die restliche Saison plus 5 Jahre.

 

·    Ein förmliches Rechtsmittel gegen ein Stadionverbot ist nicht gegeben. Natürlich kann man den ausstellenden Verein anschreiben und um Aufhebung usw. bitten. Sinn hat das jedoch nur, wenn man von einem Gericht freigesprochen wurde oder das Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurde. Nur für diese Fälle regeln die Richtlinien, dass ein Stadionverbot wieder aufzuheben ist. Eine bloße Einstellung der Staatsanwaltschaft z.B. nach § 153 StPO (wegen Geringfügigkeit) o.ä. führt nach den Richtlinien nicht zur Aufhebung des SV (ein Umstand, der umso schwerer wiegt, als sich ein Beschuldigter nicht dagegen wehren kann, wenn „sein“ Staatsanwalt das Verfahren „nur“ nach § 153 StPO einstellt. Häufig stellen Staatsanwaltschaften ein Verfahren nach § 153 StPO ein, ohne dass die Täterschaft nachgewiesen ist – so nach dem Motto: „selbst wenn ich ihm nachweisen könnte, dass er es war, wäre doch die Tat und eine etwaige Bestrafung nur geringfügig, da lohnt sich die Durchführung des Verfahrens nicht“).

 

·    Seit neuestem gibt es in den Richtlinien eine Bestimmung über die „Reduzierung, Aussetzung und Aufhebung des Stadionverbots in anderen Fällen“ (gemeint: als Freispruch/Einstellung nach § 170 StPO). Nach dieser Bestimmung soll – allerdings frühestens nach Ablauf der Hälfte des Stadionverbots – der Betroffene einen Antrag stellen können. Unter verschiedenen (z.T. sehr engen) Voraussetzungen soll dann aufgrund einer in der Regel schriftlichen Anhörung das SV reduziert, gegen Auflagen ausgesetzt oder aufgehoben werden können. Auch die Polizei ist hierzu allerdings zwingend anzuhören. Praktische Erfahrungen zu dieser Bestimmung gibt es noch nicht (dazu ist sie wohl auch erst zu kurz in Kraft). Wegen des eher umständlichen und langwierigen Verfahrens steht allerdings zu befürchten, dass dies auch keine besondere praktische Relevanz entfalten wird.

 

Post aus Köln und Schalke

 

Im August 2006, kurz nach Saisonbeginn trudelte bei rund 70 Eintrachtfans äußerst unwillkommene Post ein: Der FC Schalke 04 erteilte etwa 40 Personen ein bundesweites Stadionverbot bis zum 30.06.2012 (Fünf Jahre, beginnend mit dem Ende der laufenden Saison – in diesem Fall also fast ganze sechs Jahre). Fast gleichzeitig sprach der 1. FC Köln gegen etwa 30 Eintrachtfans ein bundesweites Stadionverbot bis zum 31.12.2009 aus. Diesen Stadionverboten liegen folgende Vorkommnisse zugrunde:

 

Nach dem ersten Bundesligaspiel der laufenden Saison beim FC Schalke 04 hielt ein Fanbus auf der Heimfahrt vor einer Gaststätte, die zum Schalker Fanclubverband gehört und dementsprechend ein überwiegend königblaues Publikum hatte. Wohl etwa rund ein Dutzend Personen aus dem Frankfurter Fanbus stiegen aus und gingen in diese Kneipe. Dort kam es zu Schlägereien, und auch Teile des Mobiliars gingen zu Bruch. Währenddessen waren draußen die knapp 40 anderen Insassen des Busses im Bus geblieben, sie hatten sich nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt und ahnten wohl auch nicht, was „drinnen“ gerade abging. Als sie die Situation in der Kneipe begriffen, fuhr der Bus rasch ein paar Meter weiter, weil man Angriffe der Schalker Fans auf den Bus bzw. dessen Scheiben befürchten musste bzw. nicht ausschließen konnte. Als die Polizei an besagte Kneipe hinzukam, sind wohl einige (oder alle?) der „Kneipengänger“ geflüchtet, angeblich in verschiedene Richtungen. Sodann „entdeckte“ die Polizei den in einiger Entfernung wartenden Frankfurter Bus. Die Personalien aller im oder am Bus angetroffenen Fans wurden aufgenommen. Da die Polizei nicht weiß, wer in der Kneipe war, wurde gegen jeden Businsassen ein Verfahren wegen Landfriedensbruchs etc. eingeleitet – und jeder Businsasse erhielt etwa eine Woche später sein Stadionverbot bis 2012.

 

Die Kölner Stadionverbote gehen hingegen auf das Spiel unserer Eintracht dort am 25.03.2006 zurück. Mittags (vor dem Spiel) waren diverse Fangruppen durch die Kölner Altstadt gezogen. Darunter mindestens eine Gruppe, deren Mitglieder durch aggressives Verhalten aufgefallen sein soll. Es gab kleinere Sachbeschädigungen (z.B. Umtreten einer Tafel, auf der eine Gaststätte ihr Speisenangebot aufgeschrieben hatte etc.) sowie das Anpöbeln von Passanten. Um nicht missverstanden zu werden – ein derartiges Verhalten soll hier keineswegs gebilligt oder verniedlicht werden. Hier geht es aber um etwas anderes: Die Polizei war während dieser Vorkommnisse nicht vor Ort; man wusste deshalb nicht, von welcher Gruppierung dieses durchaus als asozial zu bezeichnende Verhalten ausging.

 

Irgendwann trafen Polizeibeamte dann auf eine Gruppe Frankfurter Fans. Vermutlich dachte die Polizei, dass es sich hierbei um die besagte „randalierende“ Gruppe handeln könnte – ohne dies allerdings zu wissen. Die Gruppe wurde eingekesselt (wobei auch einige Fans, die gerade aus einer Kneipe kamen und vorher gar nicht zu dieser Gruppe gehörten, mit eingekesselt wurden). Es folgten Personalienfeststellung und Ingewahrsamnahme – sowie, fast fünf Monate später, Stadionverbot für alle Eingekesselten bis 2009...

 

Stadionverbote trotz dürftigster Beweislage

 

Diese beiden Fälle zeigen exemplarisch, welche Probleme die ungezügelte Vergabe von Stadionverboten mit sich bringt. An erster Stelle ist zu beklagen, dass und wie die (hierzulande sogar grundgesetzlich geschützte) Unschuldsvermutung kurzerhand außer Kraft gesetzt wird.

 

Niemand kann und wird beschönigen, was in Schalke in der Kneipe vorgefallen ist. Auch wenn Verlauf und die näheren Umstände der dortigen Auseinandersetzung wohl ungeklärt sind, ist jedem Fan im WM-Jahr 2006 klar: wer eine „gegnerische“ Fankneipe überfällt, handelt kriminell und wird, sofern er erwischt wird, nicht nur ein Strafverfahren, sondern eben auch ein fünfjähriges Stadionverbot erhalten. Mitleid oder Solidarisierung durch die gesamte Fanszene könnte und wird so jemand nicht erwarten.

 

Hier aber sind vom Stadionverbot des FC Schalke 04 offenbar ausgerechnet die ca. 40 Personen betroffen, die entweder größtenteils oder gar vollständig eben nicht in der Kneipe waren, die keinen Überfall begangen haben, die nicht straffällig wurden. Es mag aus rein polizeilicher Sicht noch angehen, zunächst mal gegen alle Businsassen zu ermitteln (zumindest solange nicht feststeht, ob und was die Businsassen von den Intentionen der Schläger wussten, oder ob nicht vielleicht einem der ursprünglich in der Kneipe gewesenen noch die „Flucht“ in den Bus geglückt ist). Man hat Fotos, die kann man den Schalkern bzw. den Kneipenwirten vorlegen etc.

 

Dass die dürftige Beweislage zwar „gerade noch“ die Einleitung eines Verfahrens rechtfertigt, sagt aber nichts darüber aus, ob auch gleich sechsjährige Stadionverbote sinnvoll oder gar geboten sind. Hier liegt der Fehler im System der Richtlinien: das Stadionverbot ist Folge allein des Umstands, dass überhaupt ein Verfahren eingeleitet wird – ganz egal, wie stark oder eben dürftig die Beweislage bzw. der Verdacht einer Straftat ist.

 

Dem Vernehmen nach soll die Polizei mittlerweile etwa zwanzig Fälle der Schalker Stadionverbote herausgearbeitet haben, in denen die Betroffenen definitiv und nachweislich unschuldig sind. Die Namen der zwanzig Betroffenen sollen nun dem Verein Schalke 04 zugeleitet werden, damit deren Stadionverbote aufgehoben werden.

 

Manch einer mag – sollte sich dies als zutreffend erweisen – aufatmen und anmerken wollen, dass es doch irgendwo noch rechtsstaatlich zugehe und unberechtigte Stadionverbote wieder aufgehoben werden. Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass – selbst wenn es demnächst zur Aufhebung von wenigstens etwa der Hälfte der Schalker Stadionverbote kommen sollte – dieser Umstand doch nichts anderes bedeuten würde als das polizeiliche Eingeständnis, dass man mindestens zwanzig Unschuldigen zu Unrecht den Besuch der kompletten Vorrunde (einschließlich der jahrelang ersehnten UEFA-Cup-Spiele) verwehrt hat. Und weiterhin, dass auch bei den verbleibenden zwanzig Leuten eine Tatbeteiligung alles andere als nachgewiesen ist (und selbst wenn die ca. zwölf Kneipenschläger vollständig unter den Betroffenen wären, blieben schon nach mathematischer Logik weitere ca. acht Unschuldige übrig, denen kein anderer Vorwurf gemacht werden kann als jener, zur falschen Zeit im falschen Bus gewesen zu sein).

 

Noch krasser und skandalöser ist das Vorgehen des 1. FC Köln bzw. der Kölner Polizei: Weil hier für eine Tatbeteiligung der Eingekesselten nicht nur Beweise, sondern jegliche Ermittlungsansätze fehlen (die angepöbelten Passanten sind, anders als die Besucher der Schalker Fankneipe, nicht bekannt, scheiden als Zeugen also aus etc.), sind gegen die meisten der Eingekesselten noch nicht einmal Ermittlungsverfahren eingeleitet worden! Es gab offenbar nur einige wenige Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung, weil einige Fans während des Einkesselns bzw. der Ingewahrsamnahme Polizeibeamte beschimpft haben sollen. Absurderweise verlangt der 1. FC Köln gleichwohl Einstellungsbeschlüsse der Staatsanwaltschaft – obwohl dies niemand vorlegen kann, weil ein nie eingeleitetes Verfahren auch nicht eingestellt wird. Nicht minder beharrlich ignoriert der FC, dass die bloße Beleidigung von Polizeibeamten nach den Richtlinien gar kein Stadionverbot rechtfertigt.

 

Der 1. FC Köln verstößt hier eindeutig gegen die Richtlinien und hält ca. 30 von Anfang an unberechtigte Stadionverbote aufrecht. Auch hier ist den Betroffenen die gesamte Vorrunde willkürlich und unrechtmäßig vorenthalten worden – und geht es nach dem zumindest derzeit noch geäußerten Willen des 1. FC Köln, soll dieser skandalöse Zustand auch noch bis 31.12.2009 andauern

 

Nur am Rande soll hier noch angemerkt werden, dass man – selbst wenn (was außer den Betroffenen niemand weiß) die Polizei hier die „Richtigen“ eingekesselt hätte – durchaus fragen müsste, ob das Geschehen in der Altstadt tatsächlich ein dreieinhalbjähriges Stadionverbot zur Folge haben müsste. Die Verhältnismäßigkeit von „Tat“ zur Dauer des Stadionverbots erschiene durchaus nicht unproblematisch.

 

Folgen für die Kurve

 

Für die Frankfurter Fanszene haben diese Stadionverbote aus Köln und Schalke das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht. Betroffen war und ist hiervon u.a. auch ein großer Teil des „harten Kerns“ der Ultras Frankfurt.

 

Da die Stadionverbote entsprechend den Richtlinien „nur“ für alle Spiele der Ersten und Zweiten Bundesliga sowie beider Regionalligen gelten, unterstützen mittlerweile viele „Stadionverbotler“ und andere regelmäßig die Eintracht Amateure (die „U 23“) in der Oberliga Hessen.

 

Doch auch wenn die Stadionverbote offiziell keine Geltung für Oberliga-Begegnungen besitzen, so sind sie doch der Polizei bekannt. Und obwohl es bislang bei keinem von den „Stadionverbotlern“ besuchten Spiel der Amateure zu irgendwelchen Vorfällen kam, tritt die Staatsgewalt massiv auf den Plan. Der Besuch der Auswärtsspiele in Vellmar und Steinbach wurde durch grundlose Personalienfeststellungen etc. unterbunden.

 

Für die Kurve bedeutet dies alles vor allem eins: Eine deutliche Verschlechterung der Stimmung – in jeder Beziehung. So ist nicht nur der Support zuletzt leiser, als wir es in der Vergangenheit gewohnt waren (und an aufwändige Choreographien ist nicht zu denken). Aber auch die „allgemeine Stimmung“ eines Großteils der Fans – und insbesondere ihr Verhältnis zur AG – leidet unter den Geschehnissen.

 

Das Verhältnis zur AG

 

„Vom Vorstand verraten, von der Polizei schikaniert – so wird hier moderner Fußball serviert“, lautete ein riesiges Banner aus dem Heimspiel gegen den HSV. Bruchhagen wollte dies in der Öffentlichkeit nicht kommentieren und antwortete auf entsprechende Journalistenfrage, er habe das Banner nicht gesehen.

 

Das Banner bzw. der darin enthaltene Vorwurf des „Verrats“ sind in der Fanszene durchaus kontrovers diskutiert worden. Angeblich soll Bruchhagen anlässlich einer Fanbeiratssitzung im August (kurz nach Eingang der Stadionverbote aus Schalke) es abgelehnt haben, sich für die Betroffenen einzusetzen. Im Gegenteil habe er ihnen die Bezeichnung „Eintrachtfan“ abgesprochen und betont, solche Leute nicht im Stadion haben zu wollen. Einige der Fanvertreter meinen, dies habe sich auf alle Stadionverbote aus Schalke bezogen.

 

Andere Teilnehmer jener Sitzung meinen (und auch aus AG-Kreisen hört man diese Version), dass sich diese Aussage nur auf jene Leute bezogen habe, welche die Schalker Fankneipe aufgesucht und dort die Schlägerei inszeniert hatten.

 

Will man das Verhalten der AG bzw. ihres Vorstandes möglichst „objektiv“ bewerten, muss man zunächst festhalten, dass der Anteil der AG an der gesamten Problematik eher gering ist (von den insgesamt derzeit existierenden 135 Stadionverboten gegen Frankfurter Anhänger stammen nur acht von der Eintracht selbst; 127 Stadionverbote wurden anlässlich von Auswärtsspielen durch die jeweiligen Gastgebervereine ausgesprochen). Noch geringer sind nach derzeit geltender Rechtslage die Möglichkeiten der AG, bei den von anderen Vereinen ausgesprochenen Stadionverboten zu helfen. Wie oben schon erwähnt, ist die Eintracht durch die Lizenzbedingungen verpflichtet, diese Stadionverbote anzuerkennen und auch im Waldstadion durchzusetzen.

 

Natürlich kann sich ein Eintracht-Vorstand aber auf informeller Ebene (z.B. gegenüber der Polizei oder den Vorständen der die Stadionverbote aussprechenden Vereine) für die Fans einsetzen bzw. eine Überprüfung anregen. Wer aber Bruchhagen vorwirft, dies zu unterlassen, sollte fairerweise Zweierlei berücksichtigen: 1) Weder Bruchhagen noch AG-Vorstand können wissen, was tatsächlich in Köln und Schalke passiert ist bzw. welcher Betroffene sich dort wie verhalten hat. Dass sich die AG nicht für jemanden stark machen will, der möglicherweise grundlos eine Fankneipe überfallen hat, dürfte verständlich sein. 2) Genau an diesem Punkt ist Bruchhagen ein „gebranntes Kind“: Nach der ersten größeren Welle von Stadionverboten seiner Amtszeit – nach dem Spiel im Frühjahr 2003 beim LR Ahlen – ist Bruchhagen mehrmals in seine westfälische Heimat gefahren und hat sich bei der Polizei für verschiedene Betroffene eingesetzt. Aufgrund der Aussagen dieser Fans hielt Bruchhagen sie für unschuldig. Beim immerhin schon dritten (!) Besuch der zuständigen Polizei wurden Bruchhagen die Videoaufnahmen vorgespielt. Dort sah man u.a. wie einer, für den Bruchhagen sich eingesetzt hatte, auf einen Polizisten eingetreten hat…

 

Aufgrund einer solchen Erfahrung kann es nicht verwundern, dass Bruchhagens Neigung, allein den Unschuldsbeteuerungen der Betroffenen zu glauben und sich deshalb für diese einzusetzen, eher gering ist.

 

Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass der Dialog zwischen AG-Verantwortlichen und Vertretern aller Fangruppierungen einschließlich UF und UF-Jugend wieder aufgenommen wird. Auch wenn sich der AG-Vorstand aus möglicherweise nachvollziehbaren Gründen nicht konkret für einzelne Personen einsetzen kann und will, sollte er erkennen, dass insgesamt die Praxis der Stadionverbote mehr als problematisch und zuweilen schlicht rechtswidrig ist. Eine Überarbeitung der Richtlinien – hin zu mehr rechtsstaatlichen Garantien und einer flexibleren Handlungsmöglichkeit (Stichwort: Aussetzung der Stadionverbote „zur Bewährung“ etc.) wäre dringend überfällig.

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