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Zusammenhalt statt Ausgrenzung

Wie geht es nach der Aufhebung der Sanktionen der AG in und mit der Fanszene weiter?

von Stefan Minden

"Pyroshow, Ticketpersonalisierung, Supportboykott - Fanszene quo vadis?" wäre der Titel einer großen öffentlichen Veranstaltung gewesen, zu der die Fan- und Förderabteilung noch vor Ostern einladen wollte. Es war geplant, Vertreter aller Gruppen und Institutionen, die das Erscheinungsbild der Fanszene prägen und die Umstände, unter denen sie sich entwickelt, auf einem Podium zusammen zu bringen. Neben Vertretern der Ultras Frankfurt, des Fansprechergremiums und der Fan- und Förderabteilung hätten dort noch Klaus Lötzbeier, Oliver Lerch (Sicherheitsbeauftragter der Eintracht Frankfurt Fußball AG), die Fanbetreuung, das Fanprojekt Frankfurt und auch Thomas Schneider (Koordinator Fanangelegenheiten bei der DFL) sitzen sollen. Und, gemeinsam mit allen Besuchern, die gekommen wären, über die aktuellen Entwicklungen in der und rund um die Eintracht-Fanszene diskutieren.


Doch dann kam - schneller als erwartet - die vollständige Aufhebung der Maßnahmen, die der Vorstand der Eintracht Frankfurt Fußball AG nach dem Karlsruhe-Spiel verhängt hatte. Und die logische Antwort der UF, die den seitdem von ihr durchgezogenen Supportboykott für beendet erklärte und ankündigte, ab dem Heimspiel gegen Cottbus "wieder im Waldstadion und auswärts lautstark vertreten sein und die Mannschaft in den kommenden, schweren Spielen wie gewohnt unterstützen" zu wollen.

Die geplante Veranstaltung wird nun vorerst nicht stattfinden. Es würden ihr nunmehr jene Brisanz und jener tagesaktuelle Bezug fehlen, die ihr eine große Beteiligung aller relevanten Gruppen und eine gewiss lebhafte Diskussion beschert und garantiert hätten. Und soweit man die Frage der Zukunft der Eintrachtfanszene losgelöst von der aktuellen Thematik der Nach-Karlsruhe-Zeit betrachten wollte, ist dieses Thema letztlich zu bedeutsam und wichtig, als dass man es auf einer kurzfristig angesetzten und dann womöglich nicht besonders gut besuchten Veranstaltung "kaputtreden" sollte.

Gleichwohl sollte man - vielleicht mit ein wenig mehr Abstand - durchaus noch einmal auf das zurückschauen, was sich in den letzten Wochen ereignet hat. Die verschiedenen Geschehnisse sowie die jeweils nachfolgenden Reaktionen und Stellungnahmen werden bereits an anderer Stelle dieser Fgv-Ausgabe ausführlich dokumentiert. Hier soll daher keine Chronologie der Ereignisse mehr stehen, sondern eher ein Versuch, einzelne Aspekte herauszugreifen und zu bewerten.

Bemerkenswert sind dabei vor allem zwei Aspekte: Einerseits der Umgang der restlichen Fanszene mit der UF, und andererseits das "Krisenmanagement" des erst seit dieser Saison amtierenden AG-Vorstandsmitglieds Klaus Lötzbeier.

Zum zweiten Punkt kann man getrost festhalten: Die Berufung von Klaus Lötzbeier zum für Fanangelegenheiten zuständigen Vorstandsmitglied der Eintracht Frankfurt Fußball AG hat sich schon jetzt als Glücksfall erwiesen. Klaus Lötzbeier hat sehr schnell erkannt, dass die Eigendynamik öffentlicher Stellungnahmen mitsamt Schuldzuweisungen oder Grundsatzdiskussionen in eine Sackgasse führt, aus der die Beteiligten nur schwer wieder herauskommen.

Man kann es ihm gar nicht hoch genug anrechnen, dass er in dieser scheinbar festgefahrenen Situation mit sich verhärtenden Fronten nie müde wurde, seinen ganz eigenen Lösungsweg zu suchen und zu beschreiten: den des Dialogs und des respektvollen Umgangs miteinander. Klaus Lötzbeier redete mit allen, war dabei stets offen und direkt, aber nie unversöhnlich und schon gar nicht unverbindlich. Er ist bereit, Vertrauen zu geben - und gerade deshalb weckt seine Art wiederum Vertrauen. Viel schneller als zu befürchten war, ist es ihm dadurch gelungen, ein Klima zu schaffen, in dem er auch seine AG-Vorstandskollegen davon überzeugen konnte: die Zeit ist reif, um die nach dem KSC-Spiel verhängten Sanktionen aufzuheben.

In gewisser Weise muss man konstatieren, dass damit Klaus Lötzbeier etwas gelungen ist, woran die Eintracht-Fanszene in ihrer Gesamtheit leider gescheitert ist: am respektvollen Umgang miteinander, der Lösungen im Sinne der Eintracht ermöglicht statt Gräben zu vertiefen, der gemeinsame Interessen betont und nicht die Unterschiede hervorhebt, kurzum: ein Umgang, der für Integration statt Ausgrenzung steht.

Auf Dauer aber sollte, nein: muss sich auch innerhalb unserer Fanszene wieder die Einsicht durchsetzen, dass wir nur alle zusammen jene starke und in vielen Punkten vorbildliche Fanszene bilden können, die wir einige Jahre lang waren. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Stadions, sowohl bezogen auf die Atmosphäre, die durch Choreographien und unsere Lautstärke bei Eintrachtspielen herrschte, als auch auf unseren gruppenübergreifenden Zusammenhalt zumindest zu den wichtigen Fragen und Bedrohungen der Fankultur (Stadionverbote, Polizeiwillkür, Kommerzialisierung usw.).

Viel von diesem Zusammenhalt ist verloren gegangen und einiges an Porzellan wurde zerschlagen, auch und gerade in den Wochen nach dem Karlsruhe-Spiel. Nicht nur im Internet kam es zu Anfeindungen, auch im Stadion selbst waren die Konflikte zwischen einzelnen Fangruppen unübersehbar.

Die Ultras schwiegen - aus ihrer Sicht gewiss konsequent. Sie waren pauschal als "Saboteure der Eintracht" bezeichnet worden, und auch das Megaphon-Verbot wurde offiziell mit dem "mehrfachen Missbrauch" begründet, der angeblich mit ihm betrieben worden sei (obwohl nun wirklich jeder weiß, dass gerade Martin Stein in "kritischen" Situationen eher deeskalierend über das Megaphon auf die Kurve einwirkt).

Was die Ultras allerdings möglicherweise unterschätzt hatten, war der in diesen Wochen überdeutlich zum Ausdruck gekommene Umstand, dass das Thema "Pyrotechnik" innerhalb der restlichen Fanszene absolut nicht mehrheitsfähig ist. Ein Großteil der Fans würde zwar allgemein noch der Aussage zustimmen: "Bengalos sehen gut aus, es wäre schön, wenn ein kontrolliertes Abbrennen möglich wäre". Aber niemandem ist das so wichtig, dass er dafür die Strafen für den Verein und die Repressionen gegen alle Fans riskieren oder in Kauf nehmen wollte. Zumal die Videoüberwachung im Stadion zusammen mit der Illegalität der (grundsätzlich noch am ehesten akzeptierten) Bengalos dazu führen, dass vor deren Entzünden erst "unübersichtliche Situationen" geschaffen werden müssen (z. B. durch Rauch, den viele aber schon wegen der Gesundheitsgefahren ablehnen). Und dass in solchen "unübersichtlichen Situationen" dann immer wieder Schwachköpfe auftreten werden, die Böller werfen und Leuchtspurmunition verschießen.

Einen Kampf "pro Pyro" will und wird die Fanszene in ihrer Gesamtheit definitiv nicht führen. Anders als bei früheren Protestaktionen (z.B. gegen Stadionverbote) erfuhren die UF diesmal wenig bis keine Solidarität. Daraus werden die Ultras ihre Konsequenzen und Lehren zu ziehen haben; schließlich haben auch sie an einer Spaltung der Eintracht-Fanszene bzw. an einer Isolierung der UF innerhalb unserer Fanszene keinerlei Interesse.

Sichtbarer Ausdruck dessen, dass man die Haltung der Ultras in der Pyro-Diskussion nicht teilt, war insbesondere: Viele andere Fans waren bei den letzten Spielen auffällig bemüht, das "Schweigen der Ultras" durch vermehrtes eigenes Anfeuern der Mannschaft wettzumachen.

Die sich daran anschließende - völlig unsinnige - Diskussion darüber, ob der Support nun "besser" ("weniger Singsang, mehr spielbezogen") oder schlechter ("zu leise, zu unkoordiniert, Stille insbesondere dann, wenn's Spiel schlecht lief") war, sollte man schleunigst beerdigen. Letztlich haben beide Aussagen einen wahren Kern. Aber genau deshalb taugen sie nicht dazu, wofür sie meist herhalten sollen: als Beweis für eine apodiktische Feststellung, die je nach Auge des Betrachters entweder lautet: "Seht her, es geht auch ohne UF!" oder eben anders herum "Seht her, es geht nicht ohne UF!". Das eine ist so falsch wie das andere. Natürlich wird es - völlig unabhängig von der UF und ihrem weiteren Verhalten im Stadion - weiterhin Fußballspiele und Zuschauer geben und damit zwangsläufig irgendetwas, das man als Stimmung bezeichnen und bewerten kann.

Nicht minder unbestreitbar aber ist: Eine solche Stimmung, wie wir sie bspw. in den UEFA-Cup-Spielen 2006 hatten (oder dem Pokalfinale oder auch dem Halbfinale gegen Bielefeld), lässt sich nur erreichen, wenn alle mitmachen. Und letztlich sollte es genau das sein, wo wir wieder hinkommen wollen... Dass sich "die Kurve" bzw. die Fanszene wieder auf einen grundsätzlichen Zusammenhalt besinnt, statt sich voneinander ab- und andere damit auszugrenzen.

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