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Von der Durchsuchung einer 16-jährigen

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(ext/jh) Wer sich über das Vorgehen der Polizei im hier geschilderten Fall wundert, kennt die heutige Situation aus deutschen Stadien nicht. Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat das Vorgehen der Polizei als rechtens bezeichnet. Hierbei handelt es sich um keinen „Fake“.

Wer harmlos aussieht und friedfertig auftritt, sollte Fußballstadien meiden. Solche Menschen gelten nämlich als extrem verdächtig und riskieren, von der Polizei hochnotpeinlich durchsucht zu werden. Bis auf die Haut. So geschehen in Saarbrücken im März 2005. Und für gut erachtet kürzlich vom Verwaltungsgericht in Saarlouis.


Seine Mandantin, sagt der Dresdner Rechtsanwalt Jörg Freund, „sieht nicht nur harmlos aus. Sie ist es auch“. Gerade 16 geworden, mit einem Fanschal von Dynamo Dresden „erkennbar“ auf dem Weg ins Saarbrücker Ludwigsparkstadion – damit passte die junge Sächsin freilich am 11. März 2005 perfekt ins „Raster“. Die Ordnungshüter hatten es auf „so genannte unverdächtige Dynamo-Fans“ abgesehen. Auf, wie es im Urteil heißt, „unscheinbare, insbesondere weibliche Personen, die aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht den gewalttätigen Fans zugeordnet werden können“.

Kurzum, verdächtig erschien jeder und vor allem jede, die nicht sogleich als Hooligan zu erkennen waren. Sie hätten ja als „Transporteure“ missbraucht werden können, um „Feuerwerkskörper und Leuchtspurmunition“ ins Stadion zu schmuggeln. So argumentiert die Polizei, und das Verwaltungsgericht folgt ohne Abstriche.


11. März 2005, Zweitligaspiel 1. FC Saarbrücken gegen 1. FC Dynamo Dresden: Vor dem Stadioneingang hat die Polizei ein Zelt aufgebaut, darin mehrere Kabinen. In eine wird die 16-Jährige aus Dresden bestellt. Das Urteil beschreibt minutiös die Prozedur, der das Mädchen unterworfen wurde. Eine Beamtin nimmt ihr zunächst Schal, Jacke und Tasche ab, dann soll sie Hose, Schuhe und die linke Socke ausziehen. Die Kleidungsstücke werden „einzeln kontrolliert“ – nichts. Zum Schluss muss die 16-Jährige „den BH für eine Abtastkontrolle nach oben umklappen“, den Slip „bis zu den Knien“ herunterziehen und nackt „eine vollständige Körperdrehung durchführen“. Die Polizistinnen finden keinerlei „sicherzustellende Gegenstände“, das Mädchen ist „sauber“. Und wütend. Im April 2005 erhebt sie Klage.


Diese ist „zulässig“, erkennt das Verwaltungsgericht. „Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung“ stelle immerhin „einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht“ dar. Doch weist die 6. Kammer die Klage als „nicht begründet“ ab, erklärt die Durchsuchung für „verhältnismäßig“ und „erforderlich.“ Die Richter vollziehen jedes Argument der Polizei nach. Dass Dynamo-Anhänger notorische Gewalttäter seien. Dass ihre Mädels bei früheren Auswärtsspielen „Pyrotechnik eingearbeitet in BHs und Slips“ eingeschmuggelt hätten. „Da werden irgendwelche Behauptungen ungeprüft in den Raum gestellt“, sagt Anwalt Freund.


Weniger Verständnis zeigen die Richter für die Intimsphäre der 16-Jährigen. Die Kabinen waren zum Zeltinneren offen. Dem „Schamgefühl“ aber wurde laut Urteil „ausreichend Rechnung getragen“, weil eine Beamtin im Eingang stand, „so dass ein Einblick allenfalls eingeschränkt möglich war.“ Außerdem hätte die Klägerin der demütigenden Prozedur ja „entgehen“ können – durch „Verzicht auf den Stadionbesuch“.

In dem Urteil sieht der Anwalt Jörg Freund auch ein „erstaunliches Missverhältnis“ zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das erst am 23. Mai die Rasterfahndung eng begrenzt hatte. Von Terror-Fahndern verlangt Karlsruhe, dass sie nur konkreten Gefährdungen nachgehen. In Saarlouis aber wird tendenziell jeder Fußballanhänger zum Störer erklärt, werden gerade Unauffällige der „schärfsten Form der Kontrolle“ (Freund) unterzogen. Das wäre eine neue Definition von Verhältnismäßigkeit.

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