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Unfaßbares beim Filmprojekt in Südamerika |
(jh/ext) Eigentlich wollte ich mit Fari (Carlo Farsang) Ende Januar endlich meinen lang erhofften Neuseeland-Urlaub antreten. Für Fgv hätte ich in Auckland ein Interview mit Winton Rufer zur angesprochenen Partnerschaft der Auckland Kings mit der Eintracht durchgeführt - und der Länderpunkt Neuseeland hätte auch nicht gefehlt. Doch dann meldete sich Mitte Dezember der Norddeutsche Rundfunk bei Fari. Man wollte unbedingt einen Film über das Groundhoppen und speziell den König unter den Groundhoppern machen - und nicht irgendeinen Film: das Beste sollte es sein. Und so lud der NDR den auch den Fgv-Lesern bekannten Fari (siehe BEST OF-Sonderausgabe) zu einem Brasilien-Tripp ein. KOSTENLOS! Da sagt man natürlich zu. Und da der Bericht zum Beginn der Bundesliga Ende Januar ausgestrahlt werden sollte, mußte es auch gleich losgehen. Innerhalb weniger Tage stand der Plan: Fari flog mit einem kleinen TV-Team nach Südamerika. Damit war nebenbei auch die gemeinsame Neuseeland-Tour geplatzt. Denn Fari konnte für seine Winterdienst-Verpflichtungen im Schwarzwald nur einmal eine Vertretung bekommen, nicht aber für eine zweite Zeit.
Wer Faris Reise bereits Anfang Februar im NDR-Fernsehen gesehen hat (ein "Letzte Meldung"-Beilagezettel in Fgv Nr. 101 hatte die Fgv-Leser auf die Sendung hingewiesen), der wird schon eine ganze Menge mitbekommen haben - doch an dieser Stelle kann man noch viel mehr erfahren: Dinge, die nicht zu sehen waren, weil die Polizei ein Videoband beschlagnahmte oder weil es das TV-Team direkt betraf - denn die Anwesenheit der Fernsehleute war ein eigener Teil des Abenteuers. Hier nun die ganze Geschichte: südamerikanische Fußballatmosphäre pur, der Überfall, die Verfolgung, der Botschaftsempfang. Wieder eine unfaßbare Erlebnis-Tour!
Dieser Bericht über Faris Abenteuer springt nicht wie sonst von einem Ereignis zum nächsten. Diesmal geht es ins Detail. Sechs Spiele waren geplant, am Ende waren es nur drei. Um den Hintergrund der ganzen Reise und die Schilderungen zu verstehen, empfiehlt es sich zu wissen, wer Fari ist und was er bereits alles erlebt hat. Wer Fgv über Jahre bzw. das Fgv-Buch "Abenteuer Groundhopping - Wenn Fußballfans Stadien sammeln" (weiterhin über Fgv bzw. den Buchhandel erhältlich) gelesen hat, der kann sofort lesen - alle anderen sollten sich erkundigen, was Groundhoppen bzw. wer Fari ist.
Ende Januar besuchte ich Fari in seiner neuen, frisch bezogenen Wohnung in Furtwangen, u.a. um den Fgv-Lesern mal wieder einen Leckerbissen auftischen zu können. Hier kommt er schon:
Frankfurt: der fehlende Flugschein
Innerhalb weniger Stunden begann für Fari ein Abenteuer, von dem er nicht erwarten konnte, wie - vor allem - gefährlich es für ihn noch werden sollte. Es war Mitte Dezember, als er vom Norddeutschen Rundfunk kontaktiert wurde. Schnell erklärte der ReRedakteur am Telefon sein Anliegen, die Kosten würde der NDR komplett übernehmen. Wer sagt da schon nein. Fari rief mich an und warnte vor (Absage Neuseeland-Reise). Er wollte neben der vom TV-Redakteur favorisierten Brasilien-Reise auch noch Neuseeland als Alternative vorschlagen, doch da man schnell Aufnahmen brauchte, blieb nur der Südamerika-Tripp. Schon am nächsten Tag sollte die Abreise sein. Während das TV-Team - bestehend aus dem Redakteur und einem angemieteten Kameramann - von Hamburg aus nach Frankfurt zum Weiterflug nach Sao Paulo einflog, fuhr Fari aus seinem Heimatort Furtwangen mit dem Auto in die Mainmetropole. Am Flughafen sollte sein Ticket hinterlegt sein; Treffpunkt war das Abfluggate im Transitbereich.
Genau Punkt 21:05 Uhr kam Fari zum Schalter, um sein Ticket abzuholen - doch der war seit 21 Uhr geschlossen. Was nun? Lufthansa-Mitarbeiter am Nebenschalter konnten ihm zwar bestätigen, daß er gebucht war, doch ohne Flugschein war kein Durchkommen zum Gate möglich. 45 min vor Abflug informierte Fari den Redakteur per Handy über das Problem - der war schon ganz aufgeregt, weil alle da waren, außer Fari! Außerdem waren die Passagiere längst beim Einstiegen. Während Fari einen Passierschein zum Gate erhielt, mußte der Redakteur losziehen, um ein neues Ticket zu kaufen. Nun verhielt sich die Situation umgekehrt: Fari wartete mit dem Kameramann am Gate - der Redakteur fehlte - und das Gate sollte eigentlich schon längst geschlossen sein. Eine Handyverbindung bestand, das Ticket war gekauft, doch der Mann fehlte - die Gatecrew wollte die Türen schließen, so sehr der Kameramann auch bettelte und sagte, sein Kollege sei in wenigen Sekunden vor Ort. Alles aufhalten half nichts, der Türschließbefehl kam ..., aber gleichzeitig endlich auch der Redakteur, mit knallrotem Gesicht und nach Luft japsend - im letzten Moment kam das Trio noch an Bord.
Sao Paulo: In fünf Minuten Flughafenwechsel
Während des Flugs beschnupperte man sich gegenseitig. Vereinbart wurde zwischen Redakteur und Kameramann, das abgedrehtes Material immer gleich an den Redakteur zu übergeben war, der es dann immer bei sich tragen wollte.
In Brasilien wartete bereits das nächste Problem: Das Reisebüro hatte für den Weiterflug nach Rio de Janeiro lediglich eine Stunde Umsteigezeit vorgesehen - "zu kurz!" meinte Fari zu den beiden Norddeutschen. Tatsächlich stand man dann bei der Immigrationsbehörde (Grenzübertritt) alleine schon zwei Stunden in der Warteschlange - der Flieger war weg! Der nächste Flug der gebuchten Airline sollte erst einige Stunden später stattfinden - allerdings flog die TAM stündlich von einem anderen Flughafen in Sao Paulo. Fari: "Kein Problem! Der Flughafen ist relativ nah." Der Redakteur: "Wie lange brauchen wir denn? Zehn Minuten? Oder fünf?" ... - Fari: "Eine Stunde etwa" - Redakteur: "Du hast doch NAH gesagt!?" - Fari: "Für Sao Paulo ist das ein Katzensprung!" Der TV-Mann hatte keine Ahnung über die Ausmaße von Sao Paulo. - Aus Budgetgründen bevorzugte man den Bus. Fari wußte den Namen der Linie - da merkte seine Begleiter, daß Fari doch ein wenig Ahnung hatte. Ab da durfte Fari dann alles regeln. Nach einer Stunde war man am anderen Flughafen und etwas später bei 35ºC in Rio. Dort traf man dann einen deutschen Journalisten, der in Brasilien wohnt und das Team komplettieren sollte - er sollte sich um organisatorische Dinge wie Presse-Akkreditierungen kümmern und die sonstige Betreuung übernehmen. Dieser war natürlich auch erst kurzfristig "gebucht" worden - in der Zeit (von Montag auf Mittwoch) war es schwierig, Akkreditierungen für das erste Spiel zu bekommen. Trotz tausender Telefonate funktionierte im Laufe der Tage fast nichts - für südamerikanische Verhältnisse kein große Überraschung. Angesicht der teuren Bezahlung war dies ein großes Ärgernis für den NDR-Redakteur.
Rio de Janeiro: Panik in der U-Bahn
Am Abend lief dann das erste Spiel, das Hinspiel um die Copa Merkusur zwischen Flamengo und San Lorenzo. Trotz Akkreditierung bekam das Team keinen Zugang zum Innenraum - alle Zuständigen vor Ort wußten zwar Bescheid - nur der letztlich Entscheidende am Zugang zum Innenraum nicht - nach Verhandlungen waren immerhin noch Aufnahmen vor Spielbeginn möglich. Fari durfte dann noch im Innenraum bleiben, die Anderen mußten zurück auf die Tribüne. Das Spiel war grottenschlecht - nach nur siebzig Minuten machten sich die Deutschen auf dem Weg aus dem Stadion, um per Taxi zu ihrem Hotel zu gelangen - nur Fari wollte nicht mit: "Die Groundhopperregel verlangt Anwesenheit über die komplette Spieldauer. Daran halte ich mich, egal, wie schlecht das Spiel ist." Mit dem Schlußpfiff rannte dann Fari aus dem Stadion, um dem danach üblicherweise eintretenden Verkehrschaos zu entkommen. Er erwischte auch die erste Metro, die allerdings nach der Hälfte seiner ca. acht zu fahrenden Stationen stehen blieb. Mindestens eine Stunde lang standen die Leute bei geschlossenen Türen im Zug. Daß dann die Stimmung von Minute zu Minute eskalierte, ist vorstellbar - erst recht, wenn Durchsagen ausbleiben. Zahlreiche Türen wurden von den Menschen entriegelt - die Massen strömten aus dem Zug in eine Metrostation. Erst dann erfolgte eine Durchsage, daß der Zug nicht weiterfahren würde - Gründe wurden keine angegeben. Daraufhin fingen die Menschen an, Scheiben einzuschmeißen, mit Feuerwehrlöscher zu sprühen und in der Station zu randalieren. Faris Problem: Er hatte nunmal noch vier Stationen, und es war weit nach Mitternacht, als keine Busse mehr fuhren. Es wurde noch ein langer Marsch bis zum Hotel - um 4 Uhr am Morgen war er erst dort.
Zum Frühstück erfuhren dann die TV-Leute von den Ereignissen der Nacht. Sie waren zwar froh, den Anstrengungen entkommen zu sein, doch die Geschichte hatten sie verpaßt. Fari bekam zu hören: "Das erzählst Du jetzt noch einmal, wenn wir die Strecke neu abfahren" ...
Sao Paulo: Als Fari dem Piloten die Sporen gab
Drei Tage später sollte die Entscheidung um die brasilianische Meisterschaft in Curitiba stattfinden. Doch was hätte man bis dahin machen können? Die Saison war vorbei. Das TV-Team schlug vor, zu einem Spiel der 6. Liga zu fahren, was Fari, für den es wenigstens die zweithöchste Ebene sein muß, nie ansehen würde - man könne es ja als Zweitliga- oder Auftsiegsspiel verkaufen - das merke der Zuschauer ja doch nicht, meinte der NDR-Redakteur. Doch da machte Fari nicht mit.
Was kam nun in Frage, schließlich wollte das Team auch die zeitliche Enge bei der Reise von einem Spiel zum nächsten Spiel dokumentieren. Der einheimische Begleiter machte drei Aufstiegsspiele aus: eines in Floranapolis, eines in der "Pampa" in der Nähe des nordbrasilianischen Belém (kam angesichts der beschränkten Budgets aufgrund zu hoher Flugkosten nicht in Frage) und ein Derby in Sao Paulo. So entschied man sich aus Konstengründen für das Spiel der Corinthians-Amateure in Sao Paulo - das sollte am gleichen Tag wie das Spiel in Curitiba stattfinden. Fari überschlug: Anpfiff 1. Spiel 11 Uhr, Flug, Fahrt zum Stadion, Anpfiff 2. Spiel 16 Uhr: "50:50-Chance. Wenn in Sao Paulo ein Platzregen runtergeht, dann geht nichts mehr. Dann sind die Straßen so überflutet, daß die Autopista auf zig km hin zugestaut ist." Das Risiko wurde eingegangen.
Zunächst ging es im Bus von Rio nach Sao Paulo. Von dieser achtstündigen Busfahrt war das TV-Team schon recht müde - für Fari angesichts seiner Reisen und angesichts des modernen Busses nicht ganz nachvollziehbar. (Anm. d. Red.: Wir erinnern uns an die 31stündige Fahrt mit den Indianern in Bolivien; siehe Fgv Nr. 57) Von den Journalisten, die laut Fari "tausend Tode" gestorben sind, hörte er: "Unglaublich wie die Busfahrer hier fahren. Schuhmacher ist eine lahme Schnecke dagegen."
Fari verabschiedete sich, wollte am Abend noch in einen "Schuppen", wo sich die jungen Leute treffen - seine "Mitstreiter" lehnten ab, sie seien zu müde. So zog Fari alleine los, aß erst noch zu Abend, bevor er sich mit einem Taxi zu dem erst ab 23 Uhr öffnenden "Schuppen" fahren ließ - dort angekommen, glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen: Er wurde gerufen. Redakteur und Kameramann standen mit Kamera in der langen Schlange: "Wir dachten, wir brauchen ja noch Aufnahmen von dem, was Du nebenbei noch treibst! Für Dich geht das Leben ja jetzt erst los, aber wir begleiten Dich jetzt eine Stunde, und dann fahren wir zurück. Wir sind ja so todmüde."
Am nächsten Morgen war das frühe Spiel schnell abgehakt. Am Flughafen gab es ein Problem mit der Maschine. Der Flugkapitän kam zur Beruhigung zu den Passagieren, von denen mehrere (nicht nur "unser" Team) zum Spiel nach Curitiba wollten. Der deutsche Kameramann filmte begeistert die (nicht gestellte) Szene, als Fari dem Piloten die Uhr zeigte und auf den Start drängte.
Curitiba: Das McDonalds-Drama
Um 16 Uhr - eine Stunde später - sollte der Anpfiff zwischen Curitiba und Sao Caetano sein. Um 20 Uhr wollten Redakteur und Kameramann bereits den Rückflug nach Sao Paulo antreten. Für den Kameramann gab es nur noch eine Chance, die vom Redakteur gewünschte McDonalds-Szene zu drehen, den für Groundhopper sonst üblichen "Restaurant-Besuch". Das wollte Fari eigentlich nicht, das war ihm zu knapp - er wollte ins Stadion. Doch der Redakteur gab nicht nach. Mit versteckter Kamera (die McDonalds-Restaurant-Leitung wollte keinen Dreh) wurde Fari gefilmt.
Etwas später im Stadion schwärmten Redakteur und Kameramann von der beeindruckenden Kulisse. Der Redakteur gab genaue Anweisungen, wie der Kameramann alles "einfangen" sollte: so solle es sein; das hätte er schon; zur Sicherheit eine zweite Aufnahme .,. und "Geb' mir mal die Kassette raus" ... - er wollte wieder abgedrehtes Material an sich nehmen ... und wurde kreidebleich. Wo war der Rucksack, in dem er das abgedrehte Material sammelte? Da fiel es ihm ein! Abgelenkt durch das heimliche Filmen im McDonals, hatte er den Rucksack dort stehen lassen! Das ganze bisher gedrehte Material! Zusammen mit dem einheimischen Journalisten stürzte der Redakteur ins nächste Taxi. Fari dachte sich, daß sie den Rucksack vergessen könnten - der sei längst weg. In Südamerika keine Chance! Doch er stand noch genau dort, wo er im McDonalds abgestellt war, mit allem Material! Der NDR-Redakteur, der bereits deutlich unter der südamerikanischen Mentalität litt (Beispiele: Busse, die statt nach zehn Minuten erst nach einer Stunde abfahren oder Dinge, auf die man im Hotel statt fünf 30 Minuten wartete) hatte Glück gehabt - was hätte er seinem Sender sonst bloß sagen sollen!? Zurück im Stadion meinte er zu Fari: "Ich bin fix und fertig. Ich bin jetzt vier Tage mit Dir unterwegs. Ich kann nicht mehr. Was ich hier erlebt habe."
Der Redakteur hatte sich wieder erholt und geriet wieder ins Schwärmen. Die Atmosphäre wäre im Buch "Abenteuer Groundhopping", das er auch zuvor gelsen hatte, noch untertrieben dargestellt - das wäre alles noch viel besser. Fari entgegnete, daß das noch steigerungsfähiger wäre, was sich der Redakteur nicht vorstellen konnte. Doch, doch, in Argentinien sei alles noch extremer, das Chaos, die Aggressivität, die Stimmung, alles sei noch krasser! Im Internet hatte Fari herausgefunden, daß in der folgenden Woche zum Zeitpunkt des Rückspiels in Sao Caetano (bei Sao Paulo) der letzte Spieltag der argentinischen Meisterschaft gespielt werden würde. Er schilderte, daß dann in Buenos Aires, wo beide Mannschaften herkamen, die noch Meister werden konnten, die Nacht zum Tag werden würde, was alles passieren würde, daß es wie jedes Jahr auch wieder Tote geben würde.
Der Redakteur witterte eine weitere Steigerung und bat Fari, doch dorthin zu fahren. Fari würde eine Kamera mitbekommen - alle Unkosten würden getragen werden. Und das Rückspiel der Copa Merkusur in San Lorenzo gegen Flamengo hätte Fari auch noch mitnehmen können. Der Redakteur sah sich gezwungen, Fari nach Argentinien reisen zu lassen und ahnte nicht, in welche Gefahr er ihn schickte.
Sparprogramm: Fort Iguazu und Porto Iguazu
Die beantragte Kreditkarte war nicht rechtzeitig zugeschickt worden, Faris restliches Barvermögen betrug ca. 700 DM. Er mußte die Reisekosten für den Argentinien-Abstecher vorlegen. Fari kalkulierte durch: Zeitlich müßte es mit dem Bus bis Mittwoch (Abfahrt Sonntag-Abend) reichen. Während Redakteur und Kameramann nach dem Spiel in Curitiba zurück nach Sao Paulo flogen, zog es Fari zum Busbahnhof. Was normalerweise nie der Fall ist - ein ausgebuchter Bus - traf für alle Busse Richtung Süden zu. Fari hatte das eben beendete Endspiel außer Acht gelassen. Da Busse nur immer am Abend fahren, war Fari genötigt, am Montag zu fliegen - für diesen Direktflug hatte er aber nicht mehr genügend Geld. Fari: "Da war mir klar, ich muß nach Fort Iguazu, zu den Wasserfällen, fliegen." Fort Iguazu ist die brasilianische Seite der dortigen Grenze. Zu Fuß ging er dort über die Grenze ins argentinische Porto Iguazu. Und es reichte gerade so für das Flugticket von dort nach Buenos Aires. 10 Dollar hatte er danach noch in der Tasche.
Mittwoch: Plünderung vorm Rückspiel
Mittwoch-Nachmittag erreichte Fari die argentinische Hauptstadt und überraschte nach einer Busfahrt ins Zentrum seine dort wohnenden Bekannte, die er bei früheren Touren nach Südamerika kennengelernt hatte. Die waren von ihrem Besuch ziemlich überrascht - immerhin war die Reise ja nicht geplant. Während Fari den Umstand seiner Reise erklärte lief der Fernseher - zu sehen war, wie viele Personen Supermärkte plünderten - was Fari nicht wußte: Es waren Live-Bilder, und es fand in der Parallelstraße direkt hinterm Haus statt. Das erfuhr der verblüffte Schwarzwälder dann gleich daraufhin.
Die Finanzkrise in Argentinien hatte sich zugespitzt. Die Regierung hatte die Konten der Bevölkerung fast vollständig sperren lassen - man kam nicht mehr an sein Geld heran. Lohn wurde nicht ausbezahlt, Rechnungen konnten nicht bezahlt werden - die Lage war eskaliert.
Faris Gastgeber hatten selbst ein Möbelgeschäft, das schnell abgesichert wurde. Angesichts der TV-Bilder entschloß sich Fari, "das muß ich mir angucken!" Trotz Warnungen wegen der Gefährlichkeit ging Fari zum nächsten Supermark, der trotz Polizeisperren immer wieder gestürmt wurde. Und so nahm er für den NDR-Film ein paar Bilder auf. Doch zu dem, was am nächsten Tag anging, war das noch gar nichts.
Eine Stunde später war Fari am Haus seiner Gastgebern - die hatten große Angst: das Möbelgeschäft war komplett verbarrikadiert, und selbst in die Zimmer, die in einer oberen Etage vermietet wurden - wo Fari untergekommen war und wo auch sein großer Rucksack abgestellt war, bestand kein Zugang mehr - doch das brachte in dem Moment sowieso nichts - schließlich sollte das Final-Rückspiel um 21 Uhr angepfiffen werden - auf zum Stadion! Oder war es doch 21:30 Uhr? Zur Sicherheit fragte Fari San Lorenzo-Fans, die er am Hauptbahnhof traf - dann die Schreckensmeldung: ABGESAGT! Fari Kinnlatte senkte sich ab. Warum? Die innere Sicherheit sei nicht gewährleistet gewesen - erst recht nicht am Stadion, wo sowieso immer ein Brennpunkt besteht. Zudem begannen in dieser Gegend die Unruhen. (Da die Kamera bei dieser tragischen Nachricht nicht lief, wurde einem Fan die Kamera in die Hand gedrückt und die Szene - inkl. Schlagen der Hände über dem Kopf - noch einmal nachgeholt. Das durfte ja nun nicht im Film fehlen ...)
Donnerstag: Raub und Verfolgungsjagd
Am nächsten Tag wanderte unser Fußball-Reisender auf der Suche nach Motiven durch Buenos Aires. (Die Stadt ist übrigens wie ein Schachbrett in Rechtecken angelegt.) Ihm entging nicht der aufsteigende Rauch, der etwa vom Sitz des Staatspräsidenten her kam - zahlreiche Menschen versuchten, diesen zu stürmen. Der Sitz war von einem Polizeigürtel umgeben. So blieben die Gebäude im Bankenviertel, durch das Fari ging, unbewacht - vor den Augen der nicht einschreitenden Polizei wurden Scheiben eingeschlaqen und Mobilar angezündet.
Die Lage eskalierte nun. Autos wurden in Brand gesetzt. Die Polizei setzte Tränengas ein und schoß mit Gummigeschossen - auch Fari bekam von Beidem etwas ab - beim Springen über Hindernisse riß auch noch sein Hemd. "Mein Job ... bzw der Auftrag des NDR war ..." Bilder von dieser "Revolution" zu bekommen, so Fari - denn das gehörte jetzt zu dieser Reise. Doch das war noch die Meinung des NDR-Redakteurs, als Fari tags zu ihm nach Brasilien telefonierte - da schien die Lage noch vergleichsweise "harmlos" zu sein.
Doch wem sollte Fari die Kamera anvertrauen? Wer kann damit umgehen und weiß, was "er" braucht? Und so hielten Leute, die zuvor eine Scheibe eingeschmissen hatten, die Kamera, während Fari mal durch's Bild lief und dabei die im Hintergrund zu sehenden Ausschreitungen fotografierte. Fari hatte genug Material - und die beiden Akkus der Kamera waren inzwischen leer. Nun mußten die Akkus aufgeladen werden - wer wußte schon, was noch in der Nacht passieren würde ... .
Nachdem am Nachmittag bekannt wurde, daß der Präsident zurückgetreten sei, "normalisierte" sich die Lage. Nach Rücksprache mit dem NDR-Redakteur wollte Fari nun noch vor der Kamera den Tag Revue passieren lassen. Und da passierte es ...
Der Auftrag war klar. Zur Sicherheit blieb das abgedrehte Material im Hotelzimmer Nachdem die Kamera einigermaßen fest auf der Kameratasche stand, postierte sich "ARD-Korrespondent" Farsang vor einem noch qualmenden Haus". Die Kamera lief und Fari begann zu erzählen ... - und noch während er den Tag schilderte, kam jemand von hinten angelaufen, schnappte sich die Kamera und lief davon. Im gleichen Moment griff sich eine weitere Person die Kameratasche und lief in eine andere Richtung davon. Als Fari die Verfolgung des Kameradiebes aufnehmen will, wird er von hinten runtergedrückt - ein dritter Mann wollte die Verfolgung verhindern. Fari riß sich los und konnte trotzdem hinterherrennen. Die Taktik des Flüchtenden war, hinter jeder Ecke seinem Verfolger aus dem Blickfeld zu entkommen. Der Zickzack-Kurs um die Blöcke zahlte sich nicht aus - Fari kam ihm immer näher. Doch dann fuhr ein Pick-Up-Wagen an ihm vorbei - am Steuer jener dritte Mann, der ihn zuvor aufzuhalten versuchte. Er bremste neben dem Flüchtenden, der auf die Ladefläche sprang. Kurz bevor Fari den Wagen erreichte, brauste dieser davon.
Was sollte er jetzt machen? Nachher würden die vom NDR noch glauben, er hätte die Kamera verhökert. Während er noch kräftig fluchte, bog ein alter Ford Taunus um die Ecke - "die letzte Möglichkeit" schoß es ihm durch den Kopf. Immerhin war es weit nach Mitternacht und kein Taxi unterwegs. Er sprang vor das Auto und zwang es zum Stehen. In allen Sprachen (portugiesisch, spanisch, englisch, deutsch) versuchte Fari in Windeseile klar zu machen, daß er überfallen worden sei "und dort vorne noch die Banditen fahren". Im Auto reagierte man schnell - hinter dem Beifahrersitz ging die Tür auf - Fari sollte reinkommen und sah das nächste Unheil auf sich zukommen: er blickte auf einen Revolver ... . Die drei Insassen hatten schon nicht besonders vertrauenswürdig ausgesehen - "die gehören bestimmt dazu", schoß es dem Deutschen durch den Kopf. Doch Fari hatte mal Glück - der Revolver zielte nicht auf ihn, sondern steckte in einer Jeans. Es handelte sich auch nicht um Verbrecher, sondern um Zivilpolizisten auf Streife. Und so konnte die Verfolgung tatsächlich wieder aufgenommen werden.
Auch der flüchtende Pick Up, dessen Fahrer den verfolgenden Wagen ausgemacht hatte, folgte der Zickzack-Fluchttaktik. Trotzdem war nach drei bis vier Minuten alles aus - über Funk verständigt sperrte ein Polizeiwagen ein enges Stück Straße, während der Wagen der Zivilpolizisten von hinten den Fluchtwagen einkeilte. Nun könnte man denken, die Polizisten hätten alles unter Kontrolle gehabt - falsch gedacht - einer der drei Täter wollte fliehen - und der einzige Zivilpolizist mit Waffe konnte nicht rechtzeitig aus dem Wagen springen, da die entsprechende Tür klemmte. So sprang Fari noch einmal hervor und stoppte den letzten Fluchtversuch, wobei sich der Gegner einen Nasenbeinbruch einhandelte. Während das Blut kräftig floß und ein Krankenwagen verständigt wurde, sah Fari nach der Kamera - und die nahm immer noch auf! In der Situation machte Fari nun einen Fehler - er nahm die Kamera auf und wollte die Verhaftung filmen, was die Zivilbeamten nicht wollten. Da man und sicher war, ob Fari sich wirklich daran halten würde, beschlagnahmte man das Videoband - "Beweismittel" ... (Versuche des NDR, das Band noch rechtzeitig vor der Ausstrahlung des Film im letzten Monat zurückzubekommen, scheiterten.)
Nachdem am Abend Diebesbanden unterwegs waren, die geplündert hatten, fragte die Polizei Fari, ob ihm die Kamera gehören würde - es hätte auch Diebesgut sein können. Nachdem Fari nicht die Bezeichnung der Kamera nennen konnte, wurde auch die Kamera beschlagnahmt. Die Nacht war noch lange nicht beendet.
Zusammen mit den Tätern wurde Fari zu einer Polizeistation gebracht, wo er alles neu erzählen mußte. Da es zu Verständigungsschwierigkeiten kam, als man ihm Rechte vorgelesen hatte, mit denen er nichts anfangen konnte, wurde die deutsche Botschafter informiert. Der deutsche Botschafter persönlich kam persönlich vorbei, bekam erst die Geschichte 20 Minuten aus Polizeisicht (Fari hörte den Diplomaten immer nur "unglaublich" stammeln) und dann in der deutschen Version von Fari zu hören. So eine Geschichte hatte der Botschafter in seinen 20 Dienstjahren noch nicht gehört.
Fari wurde vom Botschafter zu seiner Bleibe gefahren. Unterwegs rief der Diplomat - es war 5 Uhr morgens - beim NDR-Redakteur an, um sich die unglaubwürdige Geschichte um die Filmproduktion bestätigen zu lassen. Am anderen Ende der Leitung war jemand "von den Socken": Wie? Deutsche Botschaft? Überfall? Kamera ist weg?
Beschleunigen wir an dieser Stelle den Fall: Nach weiteren Verzögerungen wurde immerhin die Kamera wieder rausgegeben. Fari wurde in die Botschaft zum Essen eingeladen mußte dem Personal die ganze Geschichte erneut erzählen, weil die es sonst nicht glauben würden.
Wieder in Notlage: zur nächsten Botschaft
Da Fari in Argentinien ohne Geld dastand und auch keines ausbezahlt werden konnte legte ihm die Botschaft Geld aus: 100 argentinische Pesos (damaliger Gegenwert 100 US-Dollar). Doch das Restgeld nach der Taxifahrt zum Flughafen wollte ihm niemand wechseln. Das hoffte er dann, in Sao Paulo wechseln zu können.
Da nach der Absage des Finalrückspiels um die Copa Mercosur auch der letzte Spieltag der argentinischen Meisterschaft noch abgesagt (und auf Ende Januar verlegt) war, blieb Fari nur noch der Rückzug nach Brasilien - dort wartete schließlich noch das Rückspiel um die brasilianische Meisterschaft mit Zweitligist (!) Sao Caetano, der zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte das Endspiel erreichte.
Nach der Ankunft in Sao Paulo wartete die nächste böse Überraschung auf ihn. Alle Banken lehnten Geldwechsel ab - die argentinische Währung wollte niemand mehr. Fari brauchte ja nur ein wenig Geld, um ins Zentrum zu gelangen - 20 US-Dollar hätten gereicht. Dort hätte er sich versorgen können - das Meisterschaftsrückspiel wäre für ihn gerettet gewesen. Ein langer Anruf in der deutschen Botschaft in Sao Paulo brachte er nichts - er wurde abgewimmelt - er solle die Nacht am Flughafen verbringen und dann am nächsten Morgen über American Express Geld aus Deutschland anfordern.
Doch auch am Samstag Morgen hatte Fari kein Glück. Es gäbe Computerprobleme - außerdem sei Wochenende - American Express konnte nichts auszahlen. Ein erneuter Anruf bei der Botschaft brachte erst nur wieder Abwimmelei. Faris Notlage - er war am Flughafen gestrandet - wollte man nicht erkennen. "Laut unseren Unterlagen können Sie Geld bei American Express bekommen" - anscheinend hörte man nicht einmal richtig zu. Fari konnte nicht verstehen, warum man ihm Hilfe verweigerte. Es war - ein Notfall - die ganze Geschichte ließ sich bestätigen - doch der Botschaftsangehörige schien nicht gewillt zu sein, dies bei American zu tun.
Schließlich kamen doch noch zwei Personen und streckten ihm nach langem Reden eine ausreichende Summe für die Fahrt ins Zentrum vor. Fari konnte noch das letzte Spiel mitnehmen und trat schließlich am Weihnachstag seinen Rückflug an.
Die nächste Tour steht bereits fest: und diese wird Fgv hautnah "begleiten". Jörg wird mit Fari mit dem Zug zur WM nach Südkorea fahren - via transsibirische Eisenbahn. Natürlich wird die Tour in Fgv nachzulesen sein. Dazu gibt es wieder TV-Bilder, die zu Beginn der WM in der ARD (innerhalb des WM-Programms) ausgestrahlt werden.
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