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Ausgewählte Interviews

Uli Stein: Die Mitspieler, mit denen er sich am meisten zoffte, wären in seinem Allstar-Team

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Die Mitspieler, mit denen er sich am meisten zoffte, wären in seinem Allstar-Team

Uli Stein im Interview über Provokation, die aktuelle Eintracht und Nigeria

Interview: Jörg Heinisch

Der Name Uli Stein steht für einen Fußballer, der immer mit maximalem Einsatz die sportlichen Ziele im Blick hatte. Nicht immer konnte der hochmotivierte und dadurch oft unbeherrschte Publikumsliebling seinen Ehrgeiz im Zaum halten. Entsprechend viele Geschichten drehen sich um Uli Stein. Und bezeichnenderweise waren Ankunft und Abschied bei seiner Station in Frankfurt ebenso schlagzeilenträchtig. Als er im Sommer 1987 beim Supercupendspiel mit dem Hamburger SV im Frankfurter Waldstadion gegen Bayern München antrat, bedeutete sein Faustschlag gegen Jürgen Wegmann das Aus bei seinem langjährigen Klub, mit dem er zwei Deutsche Meistertitel, einen DFB-Pokalsieg und einmal den Gewinn des Europapokals der Landesmeister feierte. Während der laufenden Saison verpflichtete ihn die Eintracht, mit der er gleich den DFB-Pokal holte. Es gibt kaum eine Person, die mit der Geschichte der Eintracht zu tun hat und in der eigenen Frankfurter Zeit mit derart vielen Turbulenzen zu tun hatte wie Uli Stein.

Seit vielen Jahren steht sein Name immer in der Liste, wenn wir die Leser fragen, wen wir mal interviewen sollten. Vor etwa zehn Jahren unternahm ich den ersten Versuch - es wurde nie etwas daraus! Seit Silvester hatten wir regelmäßig telefonischen Kontakt. Hintergrund war dabei kein Interview für Fgv, sondern eines für mein Buch "Eintracht intim - Anekdoten und Kuriositäten aus der Geschichte von Eintracht Frankfurt", in das so ein Interview in jedem Fall hineingehörte - bei denen vielen Geschichten, die sich auch um Uli Stein ranken! Seine Anstellung als Torwarttrainer der Nationalmannschaft von Nigeria - und damit als Assistent von Berti Vogts - erleichterte das Unterfangen nicht. Im letzten Moment vor Abgabe des Buches beim Verlag klappte es dann tatsächlich. Er war gerade nach 40 Tagen wieder zurück aus Afrika, als ich zu ihm nach Bielefeld fuhr. Und natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt, ein paar zusätzliche Fragen für unsere Fgv-Leserschaft zu stellen.

Ja, er sah deutlich älter aus, als zu der Zeit, als er noch für die Eintracht im Tor stand. Doch am Ende des fast zweistündigen Gesprächs, nachdem wir in so manche Geschichte der Vergangenheit zurückgereist waren und er von mir ein paar gesammelte Anekdoten zu hören bekam, strahlte er fast schon in alter Frische, so wie ich ihn von vor 13 Jahren noch in Erinnerung hatte. So richtig ans Eingemachte - sprich die Vergangenheit um Stein und Co. - geht es dann in "Eintracht intim", das Ende September erscheint. Abgesehen von den ersten beiden folgenden Fragen, ging es im "Fgv"-Teil des Interview mehr um die aktuelle Zeit.

Wenn man die Eigenschaften von einem Uli Stein aufzählt und entscheidet sich für "wortführend, anspornend, provokativ und besessen" - fassen diese den Charakter gut zusammen?

"Provokativ" würde ich ausklammern, die anderen Eigenschaften stimmen schon. Provokativ war ich nur dann, wenn innerhalb der Mannschaft oder des Vereins etwas nicht rund gelaufen ist, wenn ich also Strömungen wahrgenommen habe, die gegen den Erfolg sprachen - und das hat es in Frankfurt oft genug gegeben, ob es im Vorstand war, im Umfeld oder teilweise sogar in der Mannschaft, wo nicht alle 100 Prozent bereit waren, alles für den Erfolg zu geben. Dann habe ich natürlich insoweit provoziert, dass ich die Leute kitzeln wollte, um die letzten Prozent, die gefehlt haben, herauszuholen. Ob ich dann bei diesen Leuten beliebt war oder ob es die mir dann einfach mal zeigen wollten, das war mir immer vollkommen egal. Und meistens haben die Leute dann Engagement gezeigt.

"Wichser" und "Arschloch" sollst Du Deine Vorderleute auch angeschrieen haben. Macht es da nicht auch die Wortwahl?

Ich vergleiche das immer mit den Autofahrern, die "Spinner", "Arschloch" oder "Fahr' an die Seite" rufen. Das macht jeder, wenn er geladen ist. Da denkt man nicht drüber nach. In der Kabine nach einem Spiel würde ich solche Worte sicher nicht wählen. Wenn man eine Situation verarbeiten muss und dann schon die nächste hat, aber noch etwas sagen willst, dann schleudert man das raus, was einem in diesem Moment einfällt. Da überlegt man sich nicht, welche Worte man benutzt. Und ich bin bestimmt auch nicht der einzige Fußballer, der solche Worte auf dem Platz benutzt hat.

Was sagst Du zum Fall "Albert Streit"? Das war ja eine provozierte Freigabe durch fehlenden Einsatz. Zu Deinen Zeiten wäre es da intern wohl nicht ruhig geblieben, oder?

Nein, das spricht ja auch für den Charakter eines Spielers. Auch wenn ich weiß, ich gehe in der neuen Saison woanders hin, stehe ich trotzdem bis zum Saisonende bei meinem Verein unter Vertrag und habe die Verpflichtung, bis zum letzten Spieltag alles für den Verein zu geben. Ich hätte das nicht akzeptiert und wäre dagegen vorgegangen.

Im Prinzip hat er seine Retourkutsche ja erhalten. Für die Nationalelf wurde er nicht berücksichtigt. Und Joachim Löw muss in diesem Zusammenhang auch gesagt haben, dass er auf den Charakter mit achtet. Dann kann man ja so jemanden nicht in ein Team holen, das scheinbar funktioniert.

In den Kadern sind heutzutage 25 bis 30 Spieler. Wenn man dann nur einen von dieser Sorte im Kader hat und 19 andere nicht spielen, dann sind letztere anfällig für schlechte Laune, weil sie nicht spielen. Und ganz schnell hat man nicht nur den einen, sondern noch vier oder fünf weitere, die so denken, und damit eine sehr schlechte Stimmung. Deshalb muss man in solchen Fällen von Anfang an dagegen steuern und eventuell auch mal einen Spieler ausmisten. Weg damit, damit man mal wieder Ruhe hat. Oder man statuiert ein Exempel, man muss ihn ja nicht gleich rausschmeißen. Entweder er wird wach, oder er hat nichts begriffen und trennt sich von ihm.

Jetzt wird er ja wohl erst einmal in Frankfurt bleiben. Aber vielleicht wird da immer noch gepokert?

Es wird in jedem Fall verdammt schwer. Auch als Trainer hat man mit der Sache bereits abgeschlossen. Man weiß, dass man mit dem Spieler nichts mehr zu tun hat. Man erkennt den Charakter und die Eigenschaften. Ich weiß nicht, ob er gut beraten ist, in Frankfurt zu bleiben. Da hat er bestimmt keine große Zukunft mehr, jedenfalls nicht, wie ich Friedhelm Funkel kenne. Der ist zwar ein Ruhiger, aber auf der Nase lässt er sich auch nicht rumtanzen. Es sei denn Albert Streit kommt zurück und sagt, er fängt wieder bei Null an. Ob er den Charakter hat, das traue ich ihm nicht zu.

Hast Du den Fall "Jermaine Jones" verfolgt? Er erzählte nach außen immer wieder, es wäre alles offen, dabei hatte er schon viel früher einen Optionsvertrag bei Schalke unterschrieben.

Für mich ist es immer das Schönste - da lache ich mich immer kaputt - wenn es um Angebote und eventuelle Wechsel geht und die Spieler behaupten, sie würden sich beim Klub eigentlich wohl fühlen. Wenn ich das schon höre, dann weiß ich genau, der hat schon woanders unterschrieben oder geht zu einem anderen Klub. Über dieses Alibi-Gequatsche, um die Zuschauer zu beruhigen, da lache ich mich immer kaputt.

Wobei es da sicherlich auch positive Ausnahmen gibt.

Aber wenige! Ich kenne keine aus der heutigen Zeit. Wenn ein Angebot kommt, mit dem 100.000 EUR mehr verdient werden können, dann ist der Spieler weg. Dann interessiert ihn Vereinstreue nicht. Die Vereinstreuen sterben langsam aus, was sicherlich auch an den Beratern liegt, weil die ja in der Regel bei Wechseln erst verdienen.

Markus Pröll ist laut Kicker-Note der beste Spieler überhaupt in der Hinrunde gewesen, aber nicht zum ersten Mal durch eine Verletzungen wieder ausgefallen. Wie siehst Du ihn im Vergleich der Bundesliga-Torhüter?

Er hat schon eine tolle Vorrunde gespielt. Das Problem ist aber, dass er nie ganz durchspielt, selbst in der 2. Liga. Es wäre schön, wenn er mal über zwei Jahre durchgehend diese Leistungen bestätigt. Nur dann kann man eigentlich einen Torwart beurteilen. Er hat natürlich auch drei Elfmeter gehalten, auch noch spielentscheidende. Die Art, wie er spielt - er ist aggressiv -, gefällt mir.

Ist die Torwarttrainertätigkeit in Nigeria für Dich eine größere Trainertätigkeit, das Sammeln von Erfahrung oder ein Abenteuer?

Nach zehn Jahren, die ich aus dem Geschäft raus bin, ist es die Möglichkeit, wieder Fuß zu fassen. Sicherlich ist auch etwas Abenteuer dabei. Wann kommt man sonst mal nach Afrika? Und es macht auch Spaß. Denn Nigeria ist eine Nation mit tollen Fußballern. Das ist kein Amateurniveau. Das ist schon hochkarätiger Fußball. Die Nationalspieler spielen ja auch alle in den europäischen Ligen. Den sportlichen Anreiz gab es also auch. In erster Linie ist das aber eine Art Praktikum, natürlich sammeln von Erfahrung, aber eben auch, einen Fuß in das Geschäft hereinzukommen.

Das ist also auch über eine überschaubare Zeit?

Jaja, ich habe dort auch überhaupt keinen Vertrag! Ich habe mit Berti Vogts eine lose Vereinbarung, damit ich auch jederzeit aufhören kann. Und es macht Spaß!

Das erste Ländespiel war auf einem … ja fast …Acker!

Nicht "fast", schlimmer, schlimmer! So einen Platz habe ich hier in Deutschland noch nicht gesehen. Wenn man irgendwo auf eine Wiese geht, auf der Kühe weiden, ist die Wiese besser!

Sollte da irgendeine Provinz mal ein Länderspiel abbekommen, oder woran lag es, dass das Spiel dort stattfand?

Ich weiß es nicht. Es waren damals gerade Gouverneurwahlen. Ich denke mal, dass sich irgendein Gouverneur das Spiel für den Wahlkampf gekauft hat. Der Zeitpunkt für Berti, das Spiel noch rechtzeitig umzulegen, war auch zu kurz. Die anderen Länderspiele finden alle in der Hauptstadt statt, in einem tollen Stadion mit 60.000 Plätzen, ein ähnliches Stadion wie das in Stuttgart.

Welche Eintracht-Spieler wären in DER Uli-Stein-Elf all Deiner ehemaligen Mitspieler?

Komischerweise wären es diejenigen, mit denen ich den meisten Krach hatte, wie Uwe Bein und Andy Möller, aber auch Anthony Yeboah, und Jay Jay Okocha. Natürlich würde ich die besten Fußballer aufstellen, auch wenn die Mannschaft etwas größer wäre als bloß elf Spieler. Auch Ralf Falkenmayer würde dazu gehören, ein ganz wichtiger Spieler, was der immer gelaufen ist und dabei zu sehr in der Öffentlichkeit unterbewertet war. Holger Hieronymus hätte den Vorzug gegenüber Manfred Binz. Vom HSV natürlich Manni Kaltz auf rechts, Horst Hrubesch vorne, Felix Magath im Mittelfeld.

Gibt es bereits Anekdoten aus der kurzen Zeit als Torwarttrainer Nigerias?

Eigentlich nicht. Die Spieler haben alle schon die europäische Mentalität. Nur bei den Funktionären ist das anders. Ich dachte, der DFB wäre aufgebläht, aber was da rumläuft, ist das Doppelte und Dreifache. Bei jedem Länderspiel sind da andere Leute. Dann fragt man sich, wo der und der herkommt.

Wenn Du auf die Karriere zurückblickst, war alles eine schöne Zeit oder gibt es auch eine Verbitterung bei der Eintracht oder in der Nationalelf?

Ich habe 21 tolle Jahre im Fußball gehabt. Es gehört alles dazu, das Negative wie die Erfolge. Ich stehe auch zu den negativen Dingen. Da habe ich überhaupt kein Problem mit. Was bleibt ist die Anerkennung der Leistung durch die Leute - und das ist schön, wenn man wo hinkommt und dies erfährt.

Wo landet die Eintracht in der neuen Saison?

Vom Spielerischen her, was man zuletzt gesehen hat, sind sie sicherlich in der Lage, unter den ersten Zehn zu spielen, Richtung UEFA-Cup-Plätze. Das traue ich denen schon zu. Was gefehlt hat, ist ein richtiger Knipser vorne drinnen. Es ist eine junge Mannschaft, die auch Zeit braucht, aber die könnten in der neuen Saison eine ganz gute Rolle spielen und nichts mit dem Abstieg zu tun haben.

Vielen Dank für das Interview!

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