Ausgewählte Interviews
Michael Skibbe: Fast ein Weise-Bubi |
(jh/sm) Nach fünf Jahren konnte die alte Fgv-Tradition, den neuen Trainer zu Saisonbeginn zu interviewen, wieder aufgenommen werden. Das Interview mit Michael Skibbe führten wir am 25. Juni, etwa einen Monat vor Erscheinen dieser Ausgabe. Natürlich standen deshalb für uns nicht etwa Fragen zu tagesaktuellen sportlichen Aspekten noch gar Spekulationen über noch anstehende personelle Änderungen im Vordergrund - zu solchen aktuellen Themen werden die großen Tageszeitungen oder die Fachpresse immer schneller sein. Wir wollten tiefgründiger nachfragen und bekamen somit auch ganz andere Einblicke - zum Beispiel über Skibbes Verständnis von Menschenführung und seinen Umgang mit den Spielern, seine Ansichten zur Nachwuchsarbeit und zu seinen Ideen, wie das Team der U23 künftig wieder mehr in die Nähe der Profis rücken könnte. Und ganz nebenbei erfuhren wir, dass er auch als Spieler fast einmal zur Eintracht gekommen wäre.
Mit Ihrer Antrittsrede vor der Presse und der Ankündigung attraktiven Fußballs haben Sie Erwartungen geweckt. Sie wollten damit sicherlich eine positive Stimmung erzeugen. Haben Sie nicht "Angst", dass dieses positive Szenario bei sich abzeichnenden Problemen mal als Bumerang zurückkommt?
Nein, davor habe ich keine Angst und keine Furcht. Ganz im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass wir im Stadion mutig spielen müssen, wenn wir erfolgreich sein wollen. Mutig heißt, zu Hause immer Druck auf den Gegner auszuüben, besonders wenn dieser im Ballbesitz ist. Das ist der erste Anteil am offensiven Spiel: Dass man eben nicht auf das reagiert, was der Gegner bietet, sondern dass man auch bei Ballbesitz des Gegners auf dem Weg zum Ball ist. Das erwarte ich von meiner Mannschaft. Das habe ich auch in Leverkusen und in Istanbul erwartet. Und wenn man den Gegner zu Fehlern zwingt, entwickelt sich am ehesten offensiver Fußball. Das möchte ich mit meiner Mannschaft spielen, und das kann sie auch. Denn schnell irgendwohin zu laufen und jemanden unter Druck zu setzen, dafür benötigt man noch keine fußballerische Qualität.
Wichtig ist, dass wenn wir in Ballbesitz kommen, uns auch Torchancen erspielen.
Sie haben auch gesagt, dass Sie Abstiegskampf nicht ausschließen können, natürlich nicht. Solch eine Aussage nimmt man als Anhänger bei dem Ausblick auf schönere Zeiten fast weniger wahr.
Das darf auch im Verhältnis untergehen. Das ist eine ehrliche Antwort, aber natürlich darf man Abstieg nicht völlig ausschließen. Aber ich beschäftige mich trotzdem nicht damit. Ich bin der Meinung, wir sind kein Abstiegskandidat, sondern wir sind eine Mannschaft, die den Weg nach vorne antreten möchte. Tabellarisch wird es wahrscheinlich schwierig, die ersten acht, neun, zehn Mannschaften der Liga haben im Verhältnis deutlich mehr Geld und mehr Qualität im Kader. Da wäre es schwierig, von 33 auf 63 Punkte zu springen. Wir wollen aber in den nächsten ein, zwei Jahren einen deutlichen Schritt nach vorne machen, uns näher ran pirschen.
Ioannis Amanatidis wurde zitiert mit: "Man kann noch so schön und attraktiv und offensiv spielen, am Ende müssen die Ergebnisse stimmen. Wenn freilich das Ergebnis stimmt und wir spielen noch attraktiv, umso besser. Spielen wir aber attraktiv und verlieren, dann sollten wir schnell wieder umkehren".
Diese Aussage wurde in der Presse teilweise schon als leise Kritik an Ihnen bzw. an Ihrer Antrittsrede gewertet. Hören Sie sich solche Aussagen aus der Öffentlichkeit in Ruhe an und setzen sich damit sachlich auseinander, oder hätten Sie das lieber intern besprochen? Oder verbieten Sie sich solche Aussagen überhaupt?
Nein, um Gottes Willen. Wir wollen mündige Profis haben. Ich möchte auch Spieler haben, die sich trauen, etwas zu sagen und das dann machen. Ich finde die Aussage vom Ioannis total korrekt. Wenn wir offensiv spielen wollen, heißt das ja nicht, dass wir blind in unser Verderben rennen wollen. Wir wollen möglichst so aggressiv und offensiv spielen, dass wir keine Tore rein bekommen, aber möglichst vorne ein paar Tore erzielen.
Dass man, wenn man gegen Bayern München 1:0 führt, durch deren Druck dann in die eigene Defensive gedrängt wird und sich verteidigen will, ist dann normal.
Führungsspieler sind wichtig in der Hierarchie der Mannschaft. Wodurch zeichnen sich Führungsspieler aus? Wodurch wird man Führungsspieler?
Führungsspieler wird man zuerst durch persönlich gute Leistung und durch regelmäßiges Spielen. Dann hat man den Anspruch und Respekt, zu führen. Das Wichtigste ist aber, mit eigener, guter Leistung voranzugehen und die Mannschaft zu führen. Das ist unabhängig vom Alter. In Leverkusen ist René Adler innerhalb von fünf Wochen zum Führungsspieler geworden, weil er unheimlich gut gehalten hat. Die Qualität und Ausstrahlung sind entscheidend.
Was wäre optimal? Wie viele Führungsspieler sollte eine Mannschaft, ein Kader haben?
Im Idealfall sind alle Führungsspieler. Es heißt ja nicht, dass Ioannis Amanatidis - wenn er Führungsspieler ist - Martin Fenin und Caio sagt, wohin sie zu laufen haben, sondern er läuft mit ihnen. Ein Führungsspieler muss zwar den Anspruch haben zu führen - und alle folgen -, aber beim nächsten Mal kann es auch Caio sein, der führt. Man ist auch nicht dadurch Führungsspieler, dass man jede Woche drei Interviews gibt. Auf dem Platz entscheidet es sich.
Als Trainer unterstützt man Führungsspieler, indem man diese auch aufstellt, obwohl sie zuvor schlecht gespielt haben. Wenn man sieht, dass die Leistung nicht reicht, dann muss man anders entscheiden.
So ist auch unser Verständnis, dass es um die Mannschaftsdienlichkeit geht, nicht um das Mundwerk.
René Adler, den ich sehr schätze, zum Beispiel, spricht immer von "wir": "WIR spielen nicht druckvoll." Er sagt nicht "DIE spielen nicht druckvoll", sondern "WIR". Das ist eine wichtige Aussage, dass man sich nicht auf einen Sockel stellt und von oben alles betrachtet.
Den letzten beiden Trainer hier bei der Eintracht, Willi Reimann und Friedhelm Funkel" wird nachgesagt, mit den Spielern wenig oder sogar gar nicht geredet zu haben - Mehdi Mahdavikia hat beispielsweise nach Saisonende erwähnt, dass der Trainer in der gesamten Rückrunde kein einziges Wort mit ihm persönlich gesprochen hatte.
Wir haben nochmal nachgesehen, was uns Friedhelm Funkel vor fünf Jahren - bezogen auf Willi Reimann - auf diese Frage geantwortet hat. Er hat klargemacht: Kommunikation sei wichtig, aber er konzentriere sich auf die Führungsspieler. Und die anderen Spieler seien dann die Sache des Co-Trainers. (siehe Fgv Nr. 126/August 2004). Wie ist das bei Ihnen?
Bei mir ist das eher andersherum. Ich rede eher mit den Spielern, die gerade nicht in der Mannschaft sind, als mit jenen, die spielen. Ich bin schon ein kommunikativer Trainer. Natürlich sind die einfacheren Gespräche die mit den Spielern, die immer spielen, weil es denen gut geht. Aber die schwierigen Gespräche sind jene, weshalb ein Spieler nicht spielt. Solche Gespräche stehen oft auch gerade am Ende der Vorbereitung, wenn man die Gründe dafür erläutert und einem Spieler vielleicht auch nahelegt, noch nach einem neuen Verein zu suchen, bei dem er bessere Chancen hat zu spielen. Wie in der Frage des vierten Torhüters.
Ich erwarte aber auch, dass jeder Spieler zu mir kommen würde, wenn er mit mir sprechen wollte. Ich erwarte, dass die Spieler auf dem Platz aggressiv sind und Gas geben, dann sollten sie sich auch trauen, zu mir zu kommen.
Ist Ihre Ansprache bei jungen Spielern, die sich noch entwickeln sollen, eine andere als bei "gestandenen" Spielern, die ihren Zenit erreicht oder gar schon überschritten haben?
Ich finde, dass man mit jedem anders umgehen muss. Man muss mit jedem Spieler ein Sprachniveau finden, da muss ich dann auch seine Bildung und ggf. Deutschkenntnisse berücksichtigen. Das ist ganz wichtig. Spieler dürfen sich in einem Gespräch nicht überfordert fühlen. Mit einem 18-jährigen Schüler spricht man anders als mit einem 35-jährigen Familienvater.
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit dem Leistungszentrum des Nachwuchsbereichs vor?
Ich habe ein vertrauliches Verhältnis zu den verantwortlichen Leuten. Ich habe auch schon früh ein gutes Gespräch mit Frank Leicht (U23-Trainer, Anm. d. Red.) geführt, der sich im Jugendfußball hervorragend auskennt und genaue Vorstellungen hat. Aber auch mit Klaus Lötzbeier, der ja Leiter des Leistungszentrums und zugleich auch im AG-Vorstand ist. Die Zusammenarbeit mit dem Nachwuchsbereich ist mir sehr wichtig.
Es muss einfach das Ziel eines jeden jungen Spielers im Rhein-Main-Gebiet sein, hier bei uns im Stadion Fußball zu spielen. Das werden nur wenige erreichen können, trotzdem muss es der Traum jeden Kindes sein, mal bei der Eintracht zu spielen. Und wir bei der Eintracht müssen alle Bedingungen schaffen, dass das jungen Spieler auch gelingen kann. Mit dem Neubau des Leistungszentrums werden wir hervorragende Bedingungen haben. Wir haben an der Commerzbank Arena tolle Bedingungen. Wir haben da schon eine gute Nachwuchsarbeit - natürlich eine, die noch zu verbessern ist.
Sie haben auch vor, Spiele der U23 zu besuchen?
Ja, ja, natürlich, ganz regelmäßig. Und auch die A-Jugendspiele.
Es wird immer wieder darüber diskutiert, dass das Leistungszentrum am Riederwald und nicht wie der Profifußball am Stadion ist, dass quasi AG und Verein so getrennt sind. Wie sehen und bewerten Sie das?
Das ist ungewöhnlich. Bei den meisten Bundesligisten gehören die Amateure und die A-Jugend zur jeweiligen Kapitalgesellschaft. Aber ich sehe kein Problem darin, dass es hier anders ist. Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit, und die kann und wird es unabhängig von Zuständigkeiten geben. Ich sehe auch in der räumlichen Trennung keine Hürde, wobei mir - das habe ich hier auch vorgeschlagen - eine größere Nähe zur U23 recht wäre. Ich fände es gut, wenn die also vom Riederwald hierher kämen und auch am Stadion trainieren würden. Das hätte große Vorteile. So habe ich das bisher auch immer gehalten, also dass beide Mannschaften - Profis und U23 - zeitgleich trainieren. Wenn ich 25 Spieler im Profitraining habe und mache dann ein Spiel 11 gegen 11, hat es mehr Sinn, wenn die drei restlichen Spieler nicht draußen rumstehen, sondern bei den Amateuren mitspielen. Bei Verletzungen könnte ich genauso von den Amateuren einen Spieler zu den Profis herüberholen. Vor allem aber redet man dann auch jeden Tag miteinander und spricht Trainingsprogramme ab. Und die jungen Spieler haben ihr großes Ziel, die Profis, täglich vor Augen. Das wäre optimal. Wenn das nicht zu teuer ist, dann machen wir das so.
Gibt es abseits aktueller Personalfragen und des Themas Leistungszentrum noch Dinge, die bei der Eintracht aus Ihrer Sicht dringend verändert oder umgesetzt werden sollten?
Soweit ich das mitbekommen habe, herrschen hier optimale Arbeitsbedingungen. Da wäre nichts, was ich ändern würde. Dass alles noch besser werden kann, ist klar, aber alles ist - auch im Vergleich mit dem, was ich aus Leverkusen oder Dortmund kenne - gut. In Istanbul war das anders. Da gab es kein Scouting - sondern nur große Namen und viele Schulden. Wobei die Arbeit mit der Mannschaft selbst mir auch dort Spaß gemacht hat.
Da wir gerade in der Türkei gelandet sind: Muss man in Istanbul Christoph Daum oder Karl-Heinz Feldkamp heißen, um bei Klatschen gegen einen Aufsteiger unantastbar zu sein? (Michael Skibbe wurde bei Galatasaray nach einer hohen Niederlage gegen einen Aufsteiger entlassen, Anm. d. Red.)
Nein, das hat mit dem Namen nichts zu tun. Was mir zum Verhängnis geworden ist, war meine laut Vertrag fristgemäß abzugebende Erklärung, ob ich nach Saisonende noch ein Jahr bleiben oder gehen wolle. Ich habe gesagt: "So, wie es im Moment ist, werde ich zum Saisonende weggehen." Das war einen Tag vor dem UEFA-Cup-Spiel in Bordeaux, wo wir 0:0 gespielt haben. Und am nächsten Spieltag zu Hause haben wir 2:5 verloren, im Grunde sehr unglücklich. Wir haben beim Stand von 2:3 in der 88. Minute einen Elfmeter verschossen.
Reden auch bei den großen Istanbuler Klubs, wie bei vielen anderen türkischen Profivereinen, die Geldgeber und "Großbesitzer" dem Trainer in seinen Job hinein?
Dem Trainer nicht. Aber Galatasaray ist ein Klub, bei dem viele Privatiers Geld investiert haben und mitreden wollen. Die sitzen da in einem 15-köpfigen Vorstand zusammen. Und alle haben ihre eigenen Kontakte zu Zeitungen. Da sitzt man dann mit dem Manager zusammen und zwei Vorstandsmitglieder sind dabei. Und nur zehn Minuten später sind bereits Zeitungen über unsere Gesprächsinhalte informiert.
Noch mal zurück zu Jugendarbeit. Wenn man Ihre bisherige Trainerkarriere anschaut, ist auffällig, dass Sie zwei Mal nach Ihrer Ablösung als Cheftrainer im Seniorenbereich an derselben Wirkungsstätte wieder in den Juniorenbereich gegangen sind. So war es in Dortmund, wo Sie nach den Profis wieder die A-Jugend übernahmen, und sogar bei der Nationalmannschaft, wo Sie nach der EM 2004 die U20 des DFB trainierten. Offenbar interpretieren Sie das nicht als unzumutbare Rückstufung. Kann man daraus schließen, dass Ihnen die Arbeit mit Junioren eine Herzensangelegenheit ist?
Ja, wenn man jungen Spielern helfen kann, Profi zu werden. Beim DFB hatte ich den 1985er Jahrgang in der U20. Die sind alle Top-Profis geworden. Das ist die schönste Genugtuung, die man Trainer haben kann.
Wenn man sich der Aufgabe widmet, junge Spieler an den Profibereich heranzuführen, wie viel Augenmerk muss man dabei auf die rein fußballerische Ausbildung bzw. taktisches Verständnis legen, und wie stark muss man sich auch um den außerfußballerischen Bereich kümmern - also bspw. aufpassen, dass sich die Jugendspieler nicht vorschnell in dem Gefühl verlieren, schon etwas erreicht zu haben?
Zum Jungsein gehört auch immer, jugendlich zu sein. Ein 18-Jähriger muss auch mal eine Freundin haben, um zu sehen, wie das ist. Er muss auch mal Herzschmerz haben, auch mal in die Disco gehen. Er sollte nicht nur für den Fußball leben. Spieler müssen auch Entwicklungsstationen durchlaufen. In Dortmund hatten zwei A-Jugendliche mal etwas an einer Tankstelle geklaut. Natürlich müssen die dafür bestraft werden, aber man darf sie deshalb nicht fallen lassen. Man muss die jungen Spieler, die ihren Traum vom Bundesligaprofi haben und vieles dafür tun, "begleiten", betreuen.
Kommen wir zu jungen Spielern, die eine Stufe weiter sind, also bereits zum Profikader der Eintracht gehören, die mit einem anderen kulturellen Hintergrund hierher gekommen sind und auch schon mehr oder weniger oft in der Bundesliga gespielt haben: Petkovic, Bellaid, Korkmaz, Caio. Die kamen aus dem Ausland, aus einem anderen Umfeld, wobei das bei Korkmaz mit Österreich kein so großer Unterschied ist. Die Entwicklung, die diese Spieler genommen haben, war bislang nicht so berauschend, obwohl man sich beim Betrachten ihrer bisherigen fußballerischen Vita - Bellaid, ausgebildet im besten französischen Nachwuchszentrum und U21-Nationalspieler; Petkovic U21-Nationalspieler mit guten Leistungen bei der U21-EM in Schweden; Caio ist zwar ein anderes Thema, hat aber unbestritten Potential - wundert, warum nicht wenigstens einer von denen wie eine Rakete startet.
Ich will nicht den Weg gehen, zu sagen, Friedhelm hätte da was falsch gemacht - ich kann nicht beurteilen, was er gemacht hat. Ich will den Weg gehen, die Spieler zu erinnern, dass wir sie geholt haben, um vor 50.000 Leuten so gut wie möglich Fußball zu spielen. Es muss für sie jetzt nochmal ein Neustart werden. Da wird schon Potential da sein, das man in der Vorbereitung ausloten muss.
Mal ein Beispiel: Bei Bayer Leverkusen haben wir Stefan Kießling aus Nürnberg geholt. Wir hatten ihn vorher 20-mal beobachtet: Er war immer gerannt wie ein Ochse, hat stets gefightet, hatte sich durchgesetzt. Doch in den ersten Monaten bei uns haben wir gedacht, wir hätten den Bruder von Stefan Kießling bekommen. Er ist über die eigenen Beine, den Gegner oder den Ball gestolpert. Aber der Grund war ganz einfach: Er hatte Heimweh. Zuhause in Bamberg hatte er bei seiner Mutter gewohnt. Dann war er plötzlich alleine in Leverkusen in einer Dreizimmerwohnung, keiner hat das Bett gemacht, keiner kocht, und alles ist sch…. Das hat eine Weile gedauert. Dann habe ich einen Mannschaftskameraden - René Adler - darauf angesetzt, die sind dann abends ausgegangen. Dann hat er endlich eine Freundin gefunden. Und plötzlich ging es. Er hat Kochen gelernt und sich wohl gefühlt.
Jetzt müssen wir sehen, wie es hier geht. Ich weiß von allen Brasilianern, mit denen ich gearbeitet habe: Wenn die nach Hause fahren, dann ist das für sie wie eine Erlösung. Die haben nicht die Möglichkeit, wie Stefan Kießling, an einem trainingsfreien Tag mal schnell nach Bamberg zu fahren und bei der Mama zu essen. Die Brasilianer langweilen sich an freien Tagen - für die ist Training Freizeit. Für die anderen ist Training Arbeit.
Sie haben unter einem der großen Eintracht-Trainer gespielt…
…Dietrich Weise
Richtig. Haben Sie sich für Ihre Trainertätigkeit etwas aus der Zeit angeeignet, als Sie unter ihm in der U18-Nationalmannschaft aktiv waren?
Ich habe ihn als Trainer sehr gemocht, weil er durch sein Reden die Mannschaft voll motivieren konnte. Er war ganz ruhig und sachlich.
Ich bin mit Wattenscheid 1982 gegen die B-Jugend von Eintracht Frankfurt Deutscher Meister geworden. Er hat das Spiel gesehen und mich dann für die U17-Nationalmmanschaft berufen. Vor dem ersten Länderspiel gegen Finnland - es waren viel Neue dabei - hat er die Bedeutung des Länderspiels erklärt, die Nationalhymne, und dass ca. 10.000 Zuschauer vorm Stadion warten würde, viel Schüler kämen… Es war spannend, ihm zuzuhören. Und dann hat er gefragt, wer sich trauen würde, einen Elfmeter zu schießen. Dann habe ich ganz spontan aufgezeigt. Er hat gemeint: "Okay, Michael, wenn wir morgen einen Elfmeter bekommen, schießt Du!" - ein guter Trainer!
Ich wäre dann beinahe als Spieler zur Eintracht gekommen. Als er hier Trainer war, wollte er mich haben. Das war 1984/1985. Ich hatte nur im vorletzten Training vor dem Wechsel einen Unfall, der Meniskus war wieder kaputt. Und damit war der Transfer dann geplatzt. Sonst wäre ich damals hierher gekommen.
Inwiefern ist für Sie als Trainer die Arbeit bei einem Traditionsverein eine andere, als bei einem Klub ohne Tradition?
Von der Arbeit her ist das kein Unterschied. Wenn ich bei einem anderen Klub mit keiner oder weniger Tradition arbeiten würde, wäre die Arbeit nicht anders. Aber ich mag die Tradition. Ich freue mich sehr auf das Stadion, die Leute und die Fans. Ich finde es fantastisch, wie viele Fans uns auswärts begleiten. Das sind immer mehrere Tausend.
Was ich an Tradition am Spannendsten finde, ist die Zusammenarbeit mit Personen, die früher für mich Helden waren. Ich bin Jahrgang 1965 und habe das erste Mal Finale und Halbfinale der Weltmeisterschaft 1974 im Farbfernsehen gesehen. Das war in einer Kneipe. Das war total begeisternd für mich, solche Leute wie Grabowski und Hölzenbein zu sehen, später auch Karl-Heinz Körbel. Als ich bei der Nationalmannschaft angefangen habe und das erste Mal ein Trainingsspiel gemacht habe, war anfangs Kalle Rummenigge dabei, der Sepp Maier hat sich ins Tor gestellt, Rudi Völler hat mitgespielt, Manni Drexler. Ich habe mit sechs Leuten gekickt, von denen vier schon mal Weltmeister waren.
Womit beschäftigen Sie sich außerhalb des Fußballs?
Was das Sportliche angeht, jogge ich gerne. Ich spiele gerne Tennis, lieber auf Asche, weil ich da wegen meines kaputten Knies besser rutschen kann. Ich spiele auch gern Golf. Sonst mache ich Dinge, die andere auch gerne machen. Ich gehe ins Kino, ich gehe gerne mal essen, aber auch mal ins Konzert. Das ist ziemlich normal.
Haben Sie sich schon einmal in einem Fanforum im Internet informiert, wie Ihre Arbeit gesehen wird?
Nein, ich würde mich sonst vielleicht beeinflussen lassen.
Trotzdem gehe ich gerne Fanclubs besuchen, um mich mit Fans auseinanderzusetzen. Man kann mich auch in der Stadt jederzeit ansprechen. Damit hatte ich nie ein Problem. Ob das Unterstützung ist oder ob es kritische Anmerkungen sind. Da stelle ich mich gerne.
Aber wenn es anonym wird, kann man es nicht greifen. Da kann sich auch ein Schalke-Anhänger äußern. Man weiß nicht, wo es herkommt.
In der letzten, im Verein auch als "Seuchenjahr" bezeichneten Spielzeit haben wir am Ende nur 33 Punkte erreicht. Im Jahr davor waren wir bei 46 Punkten gelandet - wobei die Eintracht im letzten Saisonviertel sogar noch einige Punkte liegen gelassen hatte. Die Bilanz Ihres ersten Trainerjahres wird man zwar erst am Saisonende im Sommer 2010 ziehen, aber bestimmt werden die Zwischenetappen auch schon vorher mit dem früher Erreichten verglichen werden. Was ist denn Ihre Bezugsgröße? 33 oder 46 Punkte oder etwas ganz anderes?
Das wichtigste Ziel ist für uns kein punktemäßiges, sondern ein leistungsmäßiges. Daran will ich mich messen lassen, an der Attraktivität des Spiels. Und ich bin mir sicher, dass wir besser abschneiden als in der vergangenen Saison. Und wenn Chris, Fenin oder Amanatidis ausfällt müssen wir trotzdem versuchen, aggressiv nach vorne zu spielen. Wir können den Stil unseres Spiels nicht ändern.
Herr Skibbe, vielen Dank für das Interview, ein glückliches Händchen und viel Erfolg!
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