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Heribert Bruchhagen: „Es gibt überhaupt keinen Grund zum Pessimismus" |
Herr Bruchhagen, als Sie vor etwa vier Monaten im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wurden, sprachen Sie von den vielen "Vorschußlorbeeren", die man Ihnen entgegenbringe, weil man hoffe, Sie könnten endlich für Einigkeit und "Eintracht bei der Eintracht" sorgen. Diese Erwartung nannten Sie allerdings naiv; bei einem großen Traditionsverein wie der Eintracht werde es immer verschiedene Strömungen und Diskussionen geben. Heute aber können wir feststellen: es ist doch alles sehr ruhig geworden, die verschiedenen Konfliktherde wie Verein vs. AG oder die Rolle der Politik usw. scheinen befriedet. Auch die Veröffentlichung von Interna hat ja schlagartig aufgehört.
Wichtig ist natürlich, dass ich auch nach Außen hin die Eintracht alleine vertrete. Herr Reimann sagt was zur Leistung der Mannschaft und zum Sportbetrieb, und ich sage etwas zur Sportpolitik. Und ansonsten vertritt niemand nach Außen die Eintracht. Das ist der einzige Weg, um öffentliche Diskussionen zu verhindern. Und was die Geheimhaltung bspw. von Transfers betrifft, da habe ich klare Vorstellungen. In der Vergangenheit sind mir Transfers geplatzt, weil ich zu euphorisch war und den ein oder anderen ins Vertrauen gezogen habe. Daraus habe ich gelernt, heute weiß darüber nur ein kleiner Kreis Bescheid. Wir haben auch jetzt schon für die neue Saison bereits zwei Neuverpflichtungen vorgenommen, über die ich mich sehr freue. Und vor allem freue ich mich, zu gegebener Zeit deren Namen zu veröffentlichen...
Inwieweit die Ruhe anhält, wird sich zeigen. Wenn wir sportlich unser Ziel nicht erreichen, dann glaube ich schon, dass wir wieder zwei, drei Monate haben, in denen es sehr schwer wird, die doch oft unterschiedlichen Betrachtungsweisen einigermaßen zusammenzuführen.
Denn letztlich sind wir noch keinen Schritt weiter, das muss man klar sehen. Wir haben den Anspruch als Traditionsverein Eintracht Frankfurt, wieder den Platz zu belegen, den wir in der gesamten Bundesligageschichte hatten - da liegen wir irgendwo zwischen dem 5. und 7. Platz. Und davon sind wir noch weit entfernt, und damit werden wir konfrontiert. Wir müssen aufpassen dass es uns nicht so geht wie Köln oder Bielefeld und einer Vielzahl von Vereinen, die immer wieder sehr stark in der 2. Liga, aber am Ende dann für die 1. Liga nicht gut genug sind. Um uns in der 1. Liga zu etablieren, müssen wir besser werden. Und da nutzt es uns nichts, dass sich - wie Sie gerade festgestellt haben (und ich sehe das genauso) - bestimmte Dinge verändert haben. Wenn sich das aber im Ertrag, auf dem grünen Rasen nicht wiederfindet, dann werden Sie diesen Zustand nicht lange aufrechterhalten können. Wir müssen halt eine bessere Mannschaft kriegen.
Dass die Eintracht sich wieder dauerhaft im oberen Drittel der Liga etabliert, wünschen wir uns ja alle. Die Frage ist halt, wie man das erreichen kann. Was bedarf es aus Ihrer Sicht - zunächst ganz allgemein gesprochen - unter den heutigen Bedingungen des Profifußballs, um einen Verein nach oben zu bringen? Und dann konkret bezogen auf die Situation der Eintracht: welche dieser Voraussetzungen liegen vor, und wo muss noch gearbeitet werden?
Erste Voraussetzung um nach oben zu kommen - da kommt man heute überhaupt nicht mehr umhin - ist ein funktionierendes Stadion. Da müssen wir dankbar sein, denn das haben wir schon mal. Dann braucht man bei der Auswahl derer, die das Stadion in Wert setzen, d.h. also bei der Auswahl der Trainer und der sportlichen Leitung Gespür und Glück - in erster Linie aber Gespür - und bei der Auswahl der Spieler ein gewisses Geschick. Es gibt keine mathematische Formel, wie man so was erreicht, das wäre zu einfach.
Ich hätte für den Zweitligafall bspw. überhaupt kein Problem, einen 35 oder 36jährigen Bruno Labbadia für die Eintracht zu verpflichten - obwohl die Gesamttendenz natürlich nur die sein kann, 19, 20 oder 21jährige Spieler in der Eintracht zu implementieren, die sich dann in der Eintracht und mit der Eintracht sportlich weiterentwickeln. Aber um das zu erreichen muss ich natürlich auch jemanden haben, der uns aus der 2. Liga herausschießt. Man muss die richtige Mischung finden und darf dabei die eigentliche Zielsetzung nicht aus den Augen verlieren. Wir haben jetzt den Zustand zu beklagen, dass uns aus der Finanzkrise der Vergangenheit heraus sehr viele unserer Spieler gar nicht gehören. Es gehört uns Chris nicht, es gehört uns Du Ri Cha nicht, es gehört uns Preuß nicht, es gehört uns Hertzsch nicht. Und das kostet dann auch wieder einige Finanzsubstanz, um diese wenn möglich an den Verein zu binden. Wenn man sich etwas leiht, dann muss man es auch zurückzahlen. Und da haben wir sicherlich noch sehr viele trojanische Pferde im Garten stehen. Das dauert noch ein bisschen, bis wir das in Linie haben. Fakt ist, dass wir im nächsten Jahr eine bessere Mannschaft haben müssen als in diesem Jahr - unabhängig von der Ligazugehörigkeit. Und im Jahr darauf noch eine bessere Mannschaft, auch unabhängig von der Ligazugehörigkeit. Wobei ich allerdings fest überzeugt bin, am 1.7.2005, wenn das neue Stadion fertig ist, spielen wir in der ersten Liga. Egal auf welchem Weg. Und die Mannschaft muss dann besser sein.
Aber wäre denn in dem Fall, den wir alle nicht erhoffen, eine "bessere Mannschaft" in der 2. Liga finanzierbar?
Schwierig, das wird schwierig sein. Aber da setzt dann eben meine Arbeit ein: dass ich es erreiche, Spielern und deren Beratern in Gesprächen klarzumachen dass sie, selbst wenn sie mit der Eintracht noch einmal ein Jahr zurück müssen, für sich selbst in ihrer eigenen Laufbahn eine gute Entscheidung treffen. Wenn sie mit der Eintracht zwar zuerst noch mal etwas weniger Geld verdienen, dann aber trotzdem bei einem etablierten Bundesligaverein der Zukunft einen längerfristigen Vertrag haben. Da muss man die Spieler auch überzeugen und diese Überzeugungsarbeit ist ein Teil meiner Arbeit. Und ich glaube schon, dass wir im nächsten Jahr dann eine bessere Mannschaft haben. Auch wenn wir dann in der 2. Liga spielen sollten, glaube ich das. Das muss so sein. Es war zwar nicht zu verhindern, aber es war doch sehr blauäugig mit dieser Mannschaft in diesem Jahr in die erste Bundesliga zu gehen. Das waren Sachzwänge, klar, aber es war halt sehr mutig. So wie wir im Augenblick dastehen ist das noch nicht einmal der "worst case", das hätte alles noch viel schlimmer sein können.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass zuletzt aus dem Jugendbereich von Eintracht Frankfurt - die ja zahlreiche Jugendnationalspieler stellt und viele erfolgreiche A- und B-Jugendspieler hat - in den Profibereich wenig nachgekommen ist. Was gäbe es da zu optimieren?
Es ist erstaunlich, warum diese Spieler es nicht schaffen, sich hier im eigenen Profibereich durchzusetzen. Ob man sie vielleicht zu frühzeitig in einen Status hineinversetzt, der ihnen nicht genug klarmacht, welch langer Weg noch vor ihnen liegt? Wenn sie mit 17, 18 schon nominiert werden für Deutschland... Wenn ich an Daniyel Cimen denke, wenn ich den sehe in der Amateurmannschaft oder hier beim Training, ja er drängt sich halt nicht auf. Und wenn ich Kneissl sehe - er spielt in Dundee jetzt und Gemiti sitzt auf der Bank irgendwo in Italien, da könnte man noch mehrere nennen. Irgendwo muss die Entwicklung zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr weitergehen - doch sie geht halt oft nicht weiter. Woran das liegt, ist eine Frage, die auch ich noch nicht beantworten könnte.
Wir haben ja jetzt wieder zwei 18jährigen Verträge gegeben, Russ und Reinhard, die in ihrer A-Jugendmannschaft überragende Spieler sind. Man wird sehen. Ich kann deren Entwicklung jetzt erstmals hautnah verfolgen, und das werde ich sicherlich auch tun.
Woran könnte es noch liegen? Vielleicht an den Kadern, dass die zu groß sind - das hängt natürlich auch damit zusammen, dass man sich von dem einen oder anderen Spieler im augenblicklichen Markt nicht mehr trennen kann. Eine endgültige Antwort habe ich da noch nicht gefunden.
Auch di Gregorio, Huber, Weißenfeldt - die kommen ja alle nicht so recht weiter. Ob das daran liegt, dass wir inzwischen einen europäischen Spielermarkt haben, der in die Bundesliga drängt? Da kommen Spieler für relativ kleines Geld - und besetzen dann den Platz, den eigentlich meinetwegen Weißenfeldt besetzen könnte...
Aber die Tatsache, dass diese Spieler den Durchbruch nicht schaffen, ist ein Indiz dafür, dass es irgendwo an der Durchsetzungsfähigkeit mangelt. Vielleicht haben sie auch schon zu schnell zu viel erreicht, im Gegensatz zu den aus dem Ostblock kommenden Spielern. Ich kann das am Ende nicht sagen, das sind alles nur Mutmaßungen. Aber dass sich irgendwie eine Zufriedenheit zu früh einstellt und das am Ende mit dazu führt, dass sie nicht gestandene BL-Spieler werden...
... was allerdings nicht nur ein Frankfurter Phänomen ist...
Überhaupt nicht, das ist bundesweit so. Diese Übergangsphase zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr, was man da mit den Jungs macht - da hat die Bundesliga noch keine richtige Lösung gefunden.
Sie sind als Vorstand ja auch Vorgesetzter von Trainer Willi Reimann. Mit einigen Vorfällen der jüngsten Vergangenheit können Sie wohl nicht so glücklich sein (Äußerungen in Richtung Gerster/Möller, das Gerangel mit dem vierten Schiedsrichter in Dortmund). Wie reagieren Sie auf diese Vorkommnisse?
Ich habe heute noch einen Artikel gelesen, wo man Herrn Reimann subtil vorwirft, jetzt könnte man Andreas Möller gut gebrauchen. Dazu kann ich nur sagen: Herr Reimann hat hier an diesem Tische gesessen und Herrn Möller eindringlich auf diese Situation, dass wir ihn noch brauchen werden und gebrauchen können, aufmerksam gemacht. Das ist überhaupt gar kein Problem Reimann, sondern das ist ein Problem Andreas Möller, der mit seinem Status nicht zufrieden war und einfach nicht mehr wollte. Das meine ich schon beurteilen zu können. Also müsste der Artikel eigentlich lauten "Lieber Andreas Möller, warum hast Du die Mannschaft im Stich gelassen?"
Was die Sportgerichtsbarkeit angeht, ist es sicher für uns alle keine schöne Sache gewesen, das ist richtig. Aber solche Sachen sind Bestandteil der Bundesliga. Und Reimann ist ja bislang auch noch nie in dieser Hinsicht auffällig geworden. Aber ich gebe zu, dass mich das natürlich nicht erfreut; das war eine Fehlhandlung von Willi Reimann. Aber morgen kann auch mir eine Fehlhandlung passieren, auf welchem Gebiet auch immer. Jeder Mensch ist zu irgendeiner Fehlhandlung an irgendeiner Stelle in der Lage; und eine Fehlhandlung tut einem Verein nie gut. Auf der anderen Seite aber muss ein Verein dann auch solidarisch dazu stehen.
Wobei allerdings Reimann selbst nicht unbedingt den Eindruck eines reuigen Sünders erweckt. In einem heutigen Interview in der FR lehnt er einen Kommentar zur Sportgerichtsbarkeit mit den Worten ab, es gebe "wichtigere Dinge im Leben". Das ist doch nicht unbedingt der taktisch klügste Umgang mit dem DFB-Sportgericht.
Man nimmt halt einen Trainer in seiner Gesamtheit. Ein Trainer ist in seiner Gesamtpersönlichkeit zu betrachten und genießt uneingeschränkten Schutz. Sie können sich eine Gesamtpersönlichkeit ja auch nicht malen. Entweder Sie haben eine blonde Frau, die groß ist, oder Sie haben eine dunkelhaarige Frau, die klein ist. Aber Sie können nicht alle Eigenschaften bei der Auswahl Ihres Partners auf sich vereinigen. Und dann akzeptiert man jemanden so, wie er ist. Das schließt nicht aus, dass man sich um ein Korrektiv bemühen muss, also a) ein Korrektiv zu sein und b) ein Korrektiv entgegenzunehmen. Das gilt für Sie, das gilt für mich und das gilt auch für Herrn Reimann. Und die Autorität des Trainers ist wirklich in jeder Weise zu schützen, uneingeschränkt. Ein einzelnes Detail muss man dann ggf. im persönlichen Dialog klären.
Ich gebe noch ein Beispiel: Herr Reimann ist heute in Kroatien. Körbel hatte dringendes Handeln angemahnt in Bezug auf einen Spieler. Und dann habe ich gesagt: Charly, das mache ich nicht. Ich verpflichte keinen Spieler, den Reimann nicht gesehen hat. Also beobachtet er diesen Spieler jetzt heute Abend in einem U21-Länderspiel. Und eben kommt Herr Kilchenstein zu mir und sagt, er finde es kaum glaubhaft, dass der Trainer in dieser Phase die Mannschaft verlässt. Das ist eine völlig legitime; korrekte journalistische Betrachtung. Ich habe ihm nur gesagt, für mich ist es ist undenkbar einen Spieler zu verpflichten, ohne dass ihn der Trainer gesehen hat. Dieser Spieler, der bei einem Erstligisten in Kroatien spielt, ist im laufenden Spielbetrieb von Reimann nicht zu beobachten. Deshalb fährt Herr Reimann heute zum Länderspiel. Und das löst diese unterschiedlichen Reaktionen aus - und so wird das immer bleiben. Die Zufriedenheit aller werden Sie nicht herstellen, mit welcher Entscheidung auch immer. Sie können das unterschiedlich bewerten, und das ist so ein Fall. Da kann ich nur sagen: Herr Kilchenstein, schreiben Sie's; machen Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube!
Das wird er auch tun!
Ja, natürlich wird er das tun. Aber verlangen Sie bitte nicht von mir, dass ich Ihnen dazu etwas sage. Meine Kernaussage bleibt: Die Autorität des Trainers ist höchstes Gebot. Und wenn man sich an ihm etwas anders wünscht, dann kann man das nur im persönlichen Gespräch mit ihm abhandeln, niemals indem man der öffentlichen Diskussion beitritt.
Ich möchte mal überleiten zur wirtschaftlichen Situation. Würden Sie der Behauptung zustimmen, dass Eintracht Frankfurt im Moment recht gut dasteht? Dass die Schuldenlast eher gering ist (es existiert wohl nur noch das Octagon-Darlehen über etwa 3,8 Mio. €), dafür aber die Eintracht noch alle Vermarktungsrechte besitzt. Schaut man sich sonst um in der Liga, entdeckt man vielerorts entweder weit höhere Schulden (Stuttgart, Kaiserslautern, Dortmund) oder aber die Vermarktungsrechte sind schon weggegeben (Köln, Hertha, HSV).
Nun, zu den Schulden: da gibt es auch noch ISPR und ein paar andere Baustellen. Und im Übrigen: Sehen Sie, der HSV bspw. hat seine Vermarktungsrechte insgesamt abgegeben an Sportfive. Aber aus diesen Vermarktungsrechten erwächst eine Bandenwerbungseinnahme, die um ein Vielfaches höher ist als das, was die Eintracht in Frankfurt hat. Man darf jetzt nicht nur die Prozente sehen, die der HSV abführt, sondern man muss in toto den Nettoertrag aus der Bandenwerbung sehen. Und da sind die Vereine, die ihre Vermarktungsrechte bereits weggegeben haben, oft besser aufgestellt als wir.
... wobei jedoch der HSV ja schon seit geraumer Zeit die Situation hat, die wir erst ab 2005 haben werden; also das neue Stadion ist fertig und....
Ja richtig, und wir sind ja dabei zu verhandeln, wir verhandeln schon sehr lange und ich glaube wir verhandeln sehr erfolgreich. Ich weiß zwar noch nicht, ob es zum Abschluss kommt, aber wir haben ein sehr gutes Team aufgestellt und wir haben uns vor allem externe Berater für dieses Team geholt. Obwohl ich sicherlich weiß, wie in Hamburg, Berlin usw. die Vermarkterverträge aussehen, muss das alles gut überlegt sein.
Wie weit sind denn die Verhandlungen mit Sportfive gediehen, wann wird Vollzug vermeldet werden?
Wir sind auf einem guten Weg, so würde ich mal formulieren. Aber da ich mich von all den "Deadlines" überhaupt nicht beeindrucken lasse, gebe ich keine Zeitrahmen vor.
Die Ablehnung aller von dritter Seite vorgegebenen Zeitrahmen war ja auch eine Ihrer ersten Amtshandlungen als Vorstand. Als Sie kamen, hieß es noch, der Vertrag müsse unbedingt bis 15.12.2003 bzw. auf jeden Fall vor Weihnachten fertig sein.
Ja ja, Herr Vandreike hatte das so hinterlegt, aber das kam für uns gar nicht in Frage. Mit meinem Amtsantritt habe ich mit Dr. Pröckl die Gespräche bei Null beginnen lassen, und das war auch gut so.
Ist es richtig, dass es zwei völlig getrennte Verträge geben wird; einmal zwischen Stadt und Sportfive wegen des Betriebs des Stadions und zum anderen zwischen Eintracht Frankfurt und Sportfive über die Vermarktung?
Sportfive hatte ursprünglich als conditio sine qua non gefordert: es gibt nur einen Betreibervertrag zwischen Stadt und HSG/Sportfive, wenn es zugleich auch einen Vertrag zwischen Eintracht Frankfurt und Sportfive über die Vermarktung gibt. Diese Verknüpfung haben wir aber gleich abgelehnt. Es mag schon der Eindruck entstehen, dass die Eintracht sich der Stadt verpflichtet fühlen müsste, weil sie dieses Stadion hinsetzt. Aber das hat für uns überhaupt keine Bedeutung gehabt, null. Auf diese Bedingung haben wir uns von vorneherein nicht eingelassen. Wir schließen den Vermarktervertrag nur dann, wenn er der Eintracht nach unserer Einschätzung und nach der Einschätzung von zwei unabhängigen und erfahrenen Wirtschaftsanwälten Vorteile bringt. Nur dann wird der Vorstand dem Aufsichtsrat vorschlagen, einen solchen Vertrag einzugehen.
Der Vermarktervertrag könnte also theoretisch auch dann geschlossen werden, wenn die Stadt mit HSG/Sportfive wegen der Betreiberfrage nicht handelseinig wird.
Das könnte der Fall sein. Ich glaube aber, dass die schon viel weiter sind als wir. Also der Betreibervertrag ist, wie mir Vandreike berichtet, in den letzten Zügen, was man vom Vermarktervertrag noch nicht sagen kann.
Auch wenn der Vermarktervertrag noch nicht geschlossen ist, interessiert doch jetzt schon die Handlungsfreiheit, die sich EF bewahren wird, z.B. im Bereich des Ticketings.
In allen Bereichen, auch im Ticketing, werden wir weiterhin volle Handlungsfreiheit behalten. Wenn es einen Vermarktervertrag gibt, so wird es jedes Quartal ein Treffen mit dem Vermarkter geben. Die Vermarktungskonzeption muss uns vorgelegt und von uns abgesegnet werden, und alle Werbe- oder Sponsorenverträge unterschreiben wir selbst.
Also handelt es sich im Grunde genommen um einen Agenturvertrag?
Richtig, um einen Agenturvertrag - der uns aber bindet. D.h. selbst wenn wir direkt, ohne den Vermarkter, jemanden finden, der für 50.000 € Bandenwerbung machen will, dann werden wir dennoch dem Vermarkter natürlich Provision abführen müssen. Das ist klar, das ist ein Teil des Vertrages. Aber mit wem wir Verträge abschließen und wen wir als Hauptsponsor akzeptieren usw. - da haben wir überall vollständiges alleiniges Handlungs- und Entscheidungsrecht.
Und wie steht es mit der Entscheidungskompetenz der Eintracht, was die Gestaltung des Stadions angeht? Also z.B. die Frage, wie viele Sitz- und wie viele Stehplätze es gibt?
Na ja, das ist doch schon festgelegt, das habe ich so vorgefunden. Da steht, wir haben 42.000 Sitzplätze und 8.000 Stehplätze...
... aber das ist doch variabel und veränderbar. Konkret: die Sitzblöcke 96 und 97 neben den Stehplätzen in der Westkurve könnten ja durchaus auch noch umgewandelt werden in Stehplätze; zumindest gab es mal Überlegungen in diese Richtung (dann wäre der komplette Unterrang der Westtribüne Stehplatzbereich).
Stimmt, das ist alles variabel, das muss es ja sein, schon wegen etwaiger internationaler Spiele. Aber im Augenblick ist der Trend der letzten drei, vier Jahre der, dass die Sitzplätze eher ausverkauft sind als die Stehplätze, und zwar in der gesamten Bundesliga, erstaunlicherweise. Es gibt also den Trend zur Hochwertigkeit, die Leute nehmen dem Komfort an und sind dafür bereit, auch mehr zu zahlen. Wenn der Trend sich aber wieder ändert, müssten wir entsprechend reagieren, ist doch klar.
Womit wir beim Thema der Eintrittspreise wären. Auch die Preisgestaltung wird weiterhin allein Eintracht Frankfurt obliegen?
Ja, das ist ein sensibler Punkt. Es ist ein großes Glück, dass die DFL hier Preisspiegel erstellt und vergleichbare Daten liefert, die auch die räumliche Entfernung bzw. den Tabellenplatz etc. berücksichtigen. Wir müssen uns da halt im Konzert der anderen mitbewegen, und werden schon eine richtige Lösung finden. Nach wie vor wird aber auf jeden Fall sichergestellt sein, dass ein jugendlicher Fan immer noch in der Lage ist, für 150 € eine Jahreskarte zu kaufen. Die Entscheidung, ob ich jetzt einen Logenplatz, der 5.000 € kostet, nehme oder ob ich mich mit einer 150 €-Stehplatz-Jahreskarte bewege, wird jeder haben. Und alle haben ein Dach über dem Kopf.
Was viele Fans und vor allem die Fanclubs bewegt: wird es künftig den Dauerkartenrabatt nur noch für Mitglieder des e.V. geben oder, wie bisher, für alle Fanclubs?
Ich habe da mal eine falsche Auskunft gegeben, und ich krieg das nie wieder weg. Ich hatte gesagt, für die Fanclubmitglieder, die auch im e.V. Mitglied sind, gebe es einen Rabatt, für die anderen nicht. Aber diese Aussage war falsch. Die haben wir am nächsten Tag richtig gestellt, aber das hat nicht alle erreicht. Fest steht aber: Bei der Rabattstaffelung werden alle Fanclubs gleich behandelt, egal ob sie auch Mitglied im e.V. sind oder nicht.
Und das wird auch in Zukunft so bleiben, daran wird nach Ihrer Kenntnis auch nicht gerüttelt?
Nein, daran wird nicht gerüttelt, das bleibt so.
Das ist eine klare Aussage, die wir auch gerne so veröffentlichen. Ich würde dann gerne noch einmal auf die Gestaltung des Stadions bzw. der Innenräume zurückkommen. Es gibt ja die Idee, ein Eintrachtmuseum einzurichten...
Das wäre Sache des Betreibers. Solche Dinge lägen zwar sicherlich auch im Interesse der Eintracht, wenn es eine - ich sage mal - Pilgerstätte Waldstadion gäbe. Vor allem aber wird der Betreiber daran ein wirtschaftliches Interesse haben, damit das Stadion auch außerhalb der 20 Spiele der Eintracht und der fünf Galaxy-Spiele genutzt wird, und deshalb wird das sicherlich irgendwann mal auch kommen. Aber in Hamburg hat das fünf Jahre gedauert zwischen Fertigstellung des Stadions und Einrichtung des HSV-Museums. Und so wird's bei uns wahrscheinlich auch sein.
Sie sehen, was ein Eintracht-Museum angeht, den Betreiber am Zug und nicht die Eintracht?
Nun ja, der ist ja der Hausherr, wir sind nur der Mieter. Aber es gibt für den Betreiber ein wirtschaftliches Interesse, so etwas zu machen, und für uns ein ideelles. Ich denke mal dass die Bundesliga in 25 Jahren so aufgestellt sein wird, dass alle so eine Art "hall of fame" oder Museum haben; und die Eintracht wird das auch haben.
Kommen wir zum Schluss noch einmal auf die am Anfang schon angesprochene Situation mit den Leihspielern zurück. Wie stehen die Chancen, Preuß und Hertzsch auch im nächsten Jahr im Eintracht-Trikot zu sehen? Du Ri Cha ist doch ohnehin auch für die nächste Saison ausgeliehen...
.. nicht unbedingt...
Nicht unbedingt?
Nur für die erste Liga.
Also würde auch bei Du Ri Cha das Leih- bzw. Vertragsverhältnis im Abstiegsfall zum 30.06.2004 enden. Und bei Hertzsch und Preuß endet das Leihverhältnis ja so oder so nach dieser Saison. Wie also sind die Chancen, die genannten Spieler zu halten?
Wir sind darüber in konkreten Gesprächen mit Bayer Leverkusen. Aber es gibt dann auch noch die Unwägbarkeit der Klassenzugehörigkeit, das ist eine große Schwierigkeit.
Wegen der im Abstiegsfall eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten?
Nicht nur. Es ist nun mal so, dass viele Spieler, damit meine ich nicht nur die genannten ausgeliehenen Spieler, zu mir sagen, die 2. Liga komme für sie nicht in Frage. Das ist nun mal so.
Wenn wir absteigen, wird es sehr schwer, Spieler wie Skela oder Amanatidis zu halten. Dann stehen wir wieder vor dem Neuanfang. Ich würde mir einen Stamm wünschen mit Spielern wie, sagen wir mal, Chris, Hertzsch, Skela, Amanatidis. Das sind vier Spieler von denen ich glaube (und auch der Trainer glaubt), das sind Spieler, die garantieren der Eintracht die erste Liga. Dieses Niveau, das ist etabliertes Erstliganiveau. Davon müssen wir aber noch vier, fünf andere haben. Und da ist es sehr misslich, wenn einige jetzt im ersten Schritt schon wieder weglaufen. Wenn wir das Klassenziel nicht erreichen, müssen wir wieder ganz neu anfangen. D.h. bei Chris besteht die Gefahr nicht, Chris ist vertraglich gebunden, der kann nicht weg. Aber alle anderen können weg. Und erhalten bleiben uns dann Spieler, die uns nicht weiterbringen...
Aber damit das nicht falsch rüberkommt: Das sind zwar alles schwierige Situationen, auch ein Abstieg wäre schwierig, aber es gibt überhaupt keinen Grund zum Pessimismus. Wir müssen halt mehr richtig machen als wir falsch machen Und wenn wir mehr richtig als falsch machen, dann haben wir mit dieser Tradition, unserer Struktur und dem neuen Stadion gute Steigchancen. zurück