Ausgewählte Interviews
Francisco Copado: „Mit dem UEFA-Cup haben wir gar nichts zu tun!" |
(ext) Es ist der Donnerstag nach dem Auswärtssieg der Eintracht in Nürnberg. Wir treffen einen aufgeschlossenen und gut gelaunten Francisco Copado in einer Pizzeria in Neu Isenburg. Francisco, der uns sofort seinen Spitznamen „Paco" anbietet, wurde in der Jahresumfrage von Fan geht vor von den Fans der Eintracht zum beliebtesten Spieler des vergangen Jahres gewählt. Paco war auf Anfrage sofort bereit, aus diesem Grunde Fan geht vor ein Interview zu geben.
Die Fans der Eintracht haben dich in „Fan geht vor" zum beliebtesten Spieler gewählt, dazu herzlichen Glückwunsch. Kommt diese die Wahl für dich überraschend?
Ja sicher, ich bin erst ein halbes Jahr hier und habe die ersten Spiele selbst kaum gespielt, bin erst am Ende reingekommen, und da ist es klar, dass so eine Auszeichnung überraschend kommt. Mich freut's natürlich, aber es gibt sicherlich den ein oder anderen Spieler, der es auch hätte werden können.
Was meinst du woran es liegen könnte, dass die Symphatiewelle für dich so hoch ist?
Als du seinerzeit in Frankfurt unterschrieben hattest und die Eintracht kurz drauf im Tabellenmittelfeld der zweiten Liga rumkrebste, konnte man in der Presse deinen Äußerungen entnehmen, dass du nicht sehr glücklich mit deiner Entscheidung warst. Wurdest du richtig wieder gegeben?
Ich hatte mich ja rechtzeitig festgelegt, und mein Gedanke war auch ganz klar, hierher zu wechseln. Aber der Vertrag galt halt nur für die erste Liga. Und es sah damals nicht so aus, als ob die Eintracht aufsteigen würde, und deswegen macht man sich halt Gedanken. Ich habe nie etwas Negatives gesagt, weil ich ja auch im Endeffekt hierher kommen wollte. Aber es ist ja klar, dass man den ein oder anderen Kontakt noch hatte – doch je länger die Saison ging, hatte man doch die Hoffnung, dass die Eintracht den Aufstieg noch packt. Und so kam es dann ja auch. Und ich war froh, dass ich meinen Vertrag in Angriff nehmen konnte.
Gestern habt ihr in Nürnberg mit 1:0 gewonnen, dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. Dennoch hat der Club in der zweiten Halbzeit euch stark in die eigene Hälfte gedrückt. Ähnlich die Situation bei den Spielen, bei denen ihr ebenfalls in Führung gegangen seid – beispielsweise Leverkusen, Gladbach, Mainz – während ihr bei einem Rückstand wie gegen die Hertha, immerhin ein UEFA-Cup Aspirant, die Berliner an die Wand gespielt habt. Woran liegt es, dass sich die Eintracht bei einer Führung relativ schwer tut?
Ich denke mal, dass dies ein generelles Problem ist, das fast jede Mannschaft hat, vor allem auswärts. Es ist klar, dass die Heimmannschaft in der zweiten Hälfte alles versucht, und wir dann automatisch mehr in der Defensive sind. Wenn dann unsere Konter nicht sitzen, wird's natürlich schwer, die Führung zu halten. Wir haben bei den Spielen, die wir verloren haben, sehr unglücklich ausgesehen und sehr blöd verloren. Das ist ein Reifeprozess. Es ist normal bei einer Mannschaft, die relativ jung ist; die noch nicht so viel Erfahrung hat, dass sie solche Spiele verliert – aber da geben uns solche Siege wie gestern auch wieder Mut und soviel Selbstvertrauen, dass wir wissen, wir können solche Spiele über neunzig Minuten durchstehen. Daran müssen wir festhalten und weiter arbeiten. Wir lernen von Spiel zu Spiel und versuchen, unser Spiel weiter zu führen – aber das ist nicht immer möglich.
Wenn man sich die Tabelle derzeit ansieht, dann stellt man fest, die Eintracht hat vier Punkte Rückstand auf einen UEFA-Cup-Platz und neun Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge. Dazu die Gewissheit, Teams wie eben Hertha oder auch Dortmund klar beherrschen zu können. Korrigiert man da nicht langsam das Ziel „Nichtabstieg" und schielt auf die UEFA-Ränge?
Das mit Sicherheit überhaupt nicht. Wir wollen, wie von Anfang an ausgegeben, die Klasse möglichst schnell halten, und wir werden uns bemühen, in den nächsten Spielen so viele Punkte einzufahren, dass wir mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben. Und wenn wir dann noch genügend Spiele haben, in denen wir den einen oder anderen Punkt holen können, dann werden wir versuchen, nach oben anzugreifen. Aber mit dem UEFA-Cup haben wir gar nichts zu tun, weil wir meiner Meinung nach gar nicht die Mannschaft haben, uns oben festsetzen zu können. Wichtig ist der Nichtabstieg. Dann haben wir ja noch den Pokal, wo wir relativ gut dastehen – und über den Pokal ins internationale Geschäft einzuziehen, das wäre natürlich eine Riesensache. Da schielen wir eher drauf, als uns über Platz fünf oder sechs in der Liga zu qualifizieren. Das wäre meiner Meinung nach auch nicht machbar.
Die Erwartungshaltung der Fans hat sich in den letzten Jahren ja gewandelt, trotz der Option über das Pokalhalbfinale nach Berlin zu fahren und falls es dann gegen die Bayern gehen sollte auch international dabei zu sein. War es früher nur eine Frage der Zeit, bis die Eintracht Deutscher Meister wird (international waren wir ja eh dabei) so sind durch die Abstiege und Beinahe-Lizenzentzüge der letzen Jahre die Erwartungen nicht ganz so groß. Weißt du, welcher der letzte Gegner Eintracht im UEFA-Cup war?
Nein.
Das war in der Saison 94/95 Juventus Turin. Ein Jahr später kam dann der erste Abstieg. Was wäre die lieber, der sichere Klassenerhalt, oder über Bielefeld im Finale gegen die Bayern international dabei zu sein?
In vorderster Linie natürlich der Klassenerhalt, das ist unser tägliches Brot und wichtig für den Verein. Wenn am Ende der Pokalfinaleinzug klappt, sind wir natürlich alle froh, aber daran denken wir noch nicht. Ich denke, jeder wäre froh, wenn wir vor dem Halbfinale den Klassenerhalt sicher hätten, dann können wir ohne Druck antreten und die Sensation wäre eher möglich, als wenn wir mitten im Abstiegskampf stecken würden. Da könnte uns das Pokalspiel aus der Bahn bringen. Aber wir sind so selbstbewusst, dass wir sagen: wir können bis dahin den Klassenerhalt sicher haben.
Mit Hannover, die unter Neururer wieder erstarkt sind, und dem HSV, der eine starke Saison spielt, kommen jetzt zwei Teams ins Waldstadion, gegen die zu spielen kein Selbstläufer wird. Was rechnet ihr euch aus?
Ich denke, wir können gegen beide Teams bestehen und können an guten Tagen auch beide Mannschaften schlagen. Wir konzentrieren uns jetzt auf das Spiel gegen Hannover, eine Mannschaft, die auf unserer Augenhöhe ist, ein direkter Konkurrent, den wir schlagen können und denken dann über Hamburg nach. Wenn alles gut läuft, holen wir sechs Punkte, wenn alles schlecht läuft, werden es null. Aber daran denken wir gar nicht. Wichtig wäre, gegen Hannover zu gewinnen. Wir könnten den Abstand zu den Abstiegsrängen weiter vergrößern und das Spiel gegen den HSV in Ruhe angehen.
In den letzten Tagen konntet ihr ja wegen des Wetters nicht im Stadion trainieren, ihr musstet auf Kunstrasen oder in der Halle üben, während ein Verein wie eben Hertha über neun bespielbare Plätze verfügt und optimale Trainingsbedingungen hat. Dennoch habt ihr gegen Hertha extrem gut ausgesehen. Wie wichtig sind „optimale Trainingsbedingungen"?
Sehr wichtig, aber entscheidend ist immer die Einstellung. Wir haben halt keine anderen Möglichkeiten, als auf Kunstrasen oder in der Halle zu trainieren und dann muss man das genau so angehen, als wenn man draußen trainiert. Wir hatten seit zwei Wochen keinen vernünftigen Trainingsplatz – doch an den Ergebnissen sieht man, was die Mannschaft in der Lage ist, zu leisten – und dass die Moral in der Mannschaft stimmt. Natürlich wäre es uns lieber, wenn wir jeden Tag auf einem beheizten Rasenplatz trainieren könnten. Aber die Möglichkeit gibt es nicht, also brauchen wir uns die Frage nicht zu stellen. Entscheidend ist, dass du während der Trainingseinheiten das maximale rausholst, egal auf welchem Platz. Im Endeffekt bringt dich jede Trainingseinheit weiter.
Entscheidet es sich Tag für Tag, wo ihr trainiert?
Ja, das ist ein bisschen anstrengend – aber die Trainer können ja auch nichts dafür und gegen das Wetter können wir nicht. Aber dies wird sich ja in Zukunft ändern, da wir ja einen beheizten Trainingsplatz bekommen, wie ich gehört habe – und dann werden wir die Probleme nicht mehr haben.
Du hast deine Karriere ja auch bei der Eintracht begonnen, bei Eintracht Kiel nämlich, und bist dann über Mallorca, HSV, Tennis Borussia Berlin und Unterhaching nach Frankfurt gekommen. Ist es Zufall, dass du weitgehend bei Vereinen in Großstädten unter Vertrag warst (Unterhaching hört sich ja nicht so an, ist aber definitiv München) oder liegen dir die Metropolen mehr als bspw. Paderborn oder Siegen?
Ich weiß es nicht, ob es Zufall ist. Ich denke mal, dass ich die schönsten Städte Deutschlands in meiner Karriere mitgenommen habe. Ich hatte schöne Zeiten und weniger schöne Zeiten, doch in bin glücklich, dass ich nicht auf dem Dorf spielen musste. Es ist angenehmer, in der Großstadt zu leben als in der Kleinstadt, und deshalb bin ich auch ganz froh drüber.
In erster Linie eine Pflicht, es gehört zum Job dazu, und wenn du im Mittelpunkt stehst, bist du mehr gefragt, als ein anderer Spieler. Aber ich sehe das ganz locker und versuche, die Termine wahr zu nehmen. Aber es ist auch klar, dass ich nicht jeden Termin wahrnehmen kann, ich habe eine Familie zuhause, bin viel unterwegs – und da ist es ganz gut, wenn man auch mal ein bisschen abschalten kann. Aber soweit es geht, versuche ich, jeden Termin wahrzunehmen.
Wir profitieren ja auch gerade davon. Hast du eigentlich „Fan geht vor" schon vor dem Interview gekannt?
Nein, die habe ich noch nicht gekannt. Ich habe sie einmal in der Kabine liegen sehen und ein bisschen durchgeblättert, aber gekannt kann man nicht sagen.
Apropos Fans. Eine aktuelle Debatte ist ja diese, dass etliche jahrzehntelange Treffpunkte der Eintracht-Fans peu a peu wegbrechen. Dies hängt nicht zuletzt mit der Fußball WM und der Catering-Situation in den Stadien zusammen. So ist bspw. der „Bratwurst-Walter" an der Endhaltestelle der Straßenbahn, der die Fans Jahrzehntelang kostengünstig mit Fußballnahrung, nämlich Bratwurst und Bier versorgt hat, seit dem Spiel gegen die Hertha Geschichte. Bekommen die Spieler solche Themen mit?
Nein, überhaupt nicht, das wurde, glaub ich, noch nie angesprochen. Das ist eigentlich schade, weil es zu am Wochenende in den Fußball-Stadien dazu gehört, eine Bratwurst zu essen, ein Bier zu trinken und sich dann das Fußballspiel anzusehen. Es ist wichtig für die Fans und deshalb finde ich es schade, dass dies nach und nach abgebaut wird. Aber wir Spieler können da wenig machen; das Stadion gehört der Stadt, da sind auch andere Vermarkter dabei. Aber für die Fans ist es schade.
Eintracht Frankfurt besteht ja nicht nur aus der Bundesliga Mannschaft die derzeit in Liga und Pokal hervorragend dasteht; es gibt ja auch noch die Amateure, bzw. U23 in der Oberliga. Weißt du, wo die U23 derzeit steht?
Wenn mich nicht alles täuscht, sind sie Viertletzter. Das ist eigentlich schlecht, wenn man bedenkt, dass in der ersten Halbserie teilweise sechs, sieben Profis von uns gespielt haben, die solche Ergebnisse hingelegt haben. Das ist, meiner Meinung nach nicht nachzuvollziehen, da man ja doch teilweise gegen Mannschaften spielt, die nicht mal Halbprofis sind. Aber die Trainer arbeiten daran, dass es besser wird. Auch wir Spieler merken dies und versuchen, den jungen Leuten Tipps zu geben, wie es besser wird. Es wichtig, eine starke zweite Mannschaft zu haben, die soweit wie möglich oben spielt. Dann fällt auch der Sprung für die Spieler ins Profi-Team umso leichter. Anscheinend waren die Jungs dazu bis jetzt nicht in der Lage, aber jetzt haben sie ja mit Petar (Houbtchev, die Red.) einen guten Trainer, der die Dinge intensiviert und wir hoffen, dass sie schnell nach oben kommen und wir auch Talente abrufen können. Die Eintracht hat ja immer von ihren Talenten profitiert.
Wie intensiv ist denn der Kontakt zwischen Profis und Amateuren?
Nun, eigentlich gering, wir haben ja die Spieler, die mit uns trainieren, aber sonst bekommen wir wenig mit. Das ist aber in anderen Vereinen auch so.
Bei uns ist es ja insofern auch ein bisschen schwierig, da die Profis im Stadion trainieren und die Amateure am Riederwald.
Das ist bei anderen Mannschaften ein bisschen besser aufgeteilt, das stimmt. Bei anderen Mannschaften trainieren sie auf demselben Gelände – aber zu anderen Zeiten, deshalb bekommen die auch wenig mit. Aber immerhin trainieren ja einige Spieler bei uns mit – und so ist der Kontakt schon gegeben. Ich muss ja sagen, dass ich leider noch kein Spiel der Amateure gesehen habe ...
Es gibt eine leckere Bratwurst am Riederwald ...
Wenn wir die Klasse sicher gehalten haben und der ein oder andere Spieler oben nicht gebraucht wird, könnte ich mir schon vorstellen, bei den Amateuren auszuhelfen. Aber ich denke, dass die jungen Spieler das Zeug haben, da unten raus zu kommen und keiner aus der ersten Elf nach unten geschickt wird. Aber wenn die Situation wirklich bedrohlich wird, kann das durchaus passieren, dass der ein oder andere unten aushelfen muss.
Noch mal was ganz anderes. Du hast ja nach dem Spiel in München ein Interview gegeben, in welchem du sehr trocken dein Verhältnis zu 1860 benannt hast. Woher rührt diese „Sympathie"?
Ich habe ja fünf Jahre lang in einer anderen Mannschaft in München gespielt und ich habe öfters bei Sechzig auf der Einkaufsliste gestanden, aber es war nie ein Verein, der mir gefallen hat. Für mich kam es nie in Frage, dorthin zu wechseln. Wir Spieler hatten ja auch Kontakt untereinander, und da gab es auch keine großen Sympathien – und deshalb war ich ganz froh, dass wir sie aus dem Pokal geschmissen haben.
Wir waren ja auch ganz froh und haben uns riesig gefreut, vor allem auch über das Tor zum drei zu eins. Das war ja eine Aktion, die uns an etwas ganz anderes erinnert hat. Sagt dir der Begriff „Okocha-Tor" etwas?
Welches?
Es gab ein Tor das auch das Tor das Jahres war ...
... Karlsruhe ...
Ja genau, damals hatte Okocha den Ball ca. eine viertel Stunde im Strafraum, bevor er getroffen hatte ...
… gegen Oliver Kahn ...
Na, ich denke mal, das Tor gegen Sechzig war ein bisschen einfacher zu machen, da bin ich ja alleine aufs Tor zu gelaufen, und der Jay Jay hat ja wenn ich mich richtig erinnere vier oder fünf Gegenspieler im Strafraum vernascht, dann auch noch Oliver Kahn und deshalb kann man dies nicht vergleichen. Das 3:1 war ein schönes Tor, quasi das I-Tüpfelchen auf dem I-Strich.
Wir Fans freuen uns riesig auf das Pokalhalbfinale, etliche singen schon „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin", aber: noch ist es nicht soweit. Wir wünschen dir viel Glück, euch viel Erfolg gegen Bielefeld und im Kampf um den Klassenerhalt und bedanken uns ganz herzlich für das Interview.
Ich bedanke mich auch.