Ausgewählte Beiträge
Fgv-Winterreise 2010 - Kulturtagebuch Andalusien (Teil 2 von 4) |
Tag 2:
Trotz der verschiedenen Unannehmlichkeiten, die sich ergeben, wenn man sich nicht in der gewohnten Umgebung befindet, waren wir am Morgen fitter, als tags zuvor – was aber nicht weiter verwunderlich sein sollte, da wir trotz Jörgs straffen Zeitplan erst um 08:30 Uhr zum Frühstück zu erscheinen hatten.
Ziel der heutigen Tour war Jerez – ein Ort, den Andy Klünder und ich schon von den Vorbereitungen zur 1. Sendung von eintachtfans.tv her kennen. Allerdings wurde schon nach wenigen Kilometern klar, dass dieser Weg kein leichter sein wird – um eine allgemein bekannte Heulsuse aus dem kurpfälzischen zu zitieren. Der Strecke sollte uns durch Grazalema führen, aber bereits kurz vor dem Ortseingang fiel uns auf, dass die Stadtverwaltung der Berggemeinde seine Mitarbeiter ausgesandt hat, um die Straßen, die in die höheren Regionen führten, sperren zu lassen. Das wirkte vor allem deshalb sehr amüsant, weil zwei damit beauftragte Herren ein Fahrzeug, das auf eben eine solche Straße fahren wollte per Handzeichen stoppte. Die Fahrerin, die offensichtlich eine gute Kinderstube besaß, hielt an, um die Arbeiter passieren zu lassen, und darauf – quasi zum Dank – ein Absperrungsgitter unmittelbar vor ihre Motorhaube positionierten, und ihr klar machten, dass sie nun einen größeren Umweg zu fahren hätte.
Wir lachten herzhaft, beendeten unseren Fotostopp, und fuhren in den Ort, um von dort aus noch ein paar Bilder von der hügeligen Schneelandschaft zu machen.
Richtig – ich vergaß zu erwähnen, dass der Winter über Nacht Einzug in Andalusien gehalten hat. Weiß, soweit das Auge reichte, aber nicht halb so wild, wie bei uns in Deutschland…
… dachten wir. Zum nächsten Fotostopp fuhren wir einen Parkplatz an, und überquerten die Straße, um die Landschaft zu genießen. Für Herrn Klünder blieb die gegenüberliegende Straßenseite jedoch unerreichbar, da es sein Schuhwerk ihm verwehrte, die Fahrbahn unversehrt zu überqueren. Es war scheißkalt und spiegelglatt!
In der Zwischenzeit kam auch jemand aus dem Dorf, um Salz zu streuen. Die Art und Weise, wie er das tat, ließ darauf schließen, dass er das noch nicht sehr häufig gemacht hat. So langsam wurden wir skeptisch, ob es eine gute Idee ist, der Straße in die Berge zu folgen, und als ein Polizeiauto, das kurz vorher in die gleichen Richtung fuhr, rückwärts zurück kam, gaben wir unser Vorhaben auf.
Die Teilziele unseres Tagestrips waren jedoch von Herrn Heinisch festgelegt, was ihnen ungefähr die Wahrhaftigkeit der Steintafeln gab, die Moses seiner Zeit am Berg Sinai erhielt, und somit war klar, dass uns eine weitere Lektion in Diplomatie und Kartenlesen bevor stand.
Irgendwie schafften wir es auch die Stimmung hoch zu halten, und dabei auf unsere Ziele zu zu mäandern. Das erste war El Bosque. Was wie der Kampfname für einen Jahrmarktboxer klingt ist in Wirklichkeit der Name eines pittoresken Ortes, mit vielen engen Gässchen, und weißen Häusern, denen man noch heute den maurischen Einfluss in Sachen Architektur und Städtebau anmerkt. Kurzum ein Ort wie hunderte andere in Andalusien. Was aber nicht heißen soll, dass es hier nicht schön gewesen wäre. (Anm. d. Red: El Bosque hatten wir ausgelassen, gemeint ist Arcos de la Frontera, nachfolgend korrigiert).
Eine besondere Erwähnung hat sich Arcos de la Frontera verdient, weil Jörg unser Gefährt mit Hilfe der Trial-and-Error Methode zur hiesigen Burg bringen wollte, und dabei die Tatsache ignorierte, dass die Gassen immer schmaler wurden. Zur Erinnerung: Das gemietete Fahrzeug war ein 9 sitziger Kleinbus.
Nach einiger Zeit standen wir vor der Wahl entweder unserer Außenspiegel verlustig zu gehen, oder den Wagen auf einer briefmarkengroßen Kreuzung zu wenden. Jörg entschied sich für letzteres, was er unter den interessierten Blicken der nicht-werktätigen Bevölkerung auch schaffte. Zu den Fahrzeugen, die durch dieses Manöver an der Weiterfahrt gehindert wurden gehörte auch ein von zwei jungen Menschen unterschiedlichen Geschlechts „bemannter“ Motorroller, der die erst beste Gelegenheit nutzte, uns in übertrieben sportlicher Art zu überholen. Das Lustige daran war, dass das kurz vor einer Bodenschwelle geschah, die das Pärchen ebenso sportlich überfuhr. Den Gesetzen der Physik folgend hoben Roller, Fahrer und Sozia um wenige Millimeter ab. Der nicht am Kopf der Sozia befestigte Helm aber um ca. 1-2 Meter, was den bis dahin größten Lacher produzierte.
Auch Jörg war zunächst von seinem Entdeckertrieb geheilt, und fuhr uns auf vermeintlich direktem Weg nach Medina Sidonia wo wir unser heutiges Mittagessen einnehmen wollten.
Nach einigen kleinen Meinungsverschiedenheiten, und damit verbundenen Umwegen erreichten wir das Lokal „Venta la Duguesa“ – einen Restauranttipp einer Kollegin des Herrn Heinisch. Und ich bin noch heute dankbar dafür. Auch wenn sich dem Vernehmen nach dort die Preise nicht nur nach der Wahl des Gerichts, sondern auch des Sitzplatz’ richten, und wir natürlich mit schlafwandlerischer Sicherheit den teuersten Speisesaal gewählt haben, gibt es an einem Kalbs- Cordon Bleu für 10 Euro nichts auszusetzen. In Andalusien wird so etwas übrigens unter dem Namen „St. Jakobs Muschel“ verkauft. Und da regt sich der Herr Tarantino über den „Royal Käse“ auf…
Da wir durch die Verkehrslage im Allgemeinen (und auch im Speziellen) etwas Zeit verloren hatten, die es nun aufzuholen galt, war es uns leider nicht möglich noch etwas zu verdauen, um ein 2. Hauptgericht einzunehmen. Trotz dieser Einschränkungen begaben wir uns nun bester Laune zurück zum Bus, und fuhren durch ein Naturschutzgebiet an der Küste entlang gen Cadiz.
Natürlich gab es auch hier wieder jede Menge Foto- und Pinkelpausen, die aber nicht weiter dokumentiert werden müssen. Einen etwas längeren Halt machten wir noch in Conil de la Frontera, um uns zum einen die Beine zu vertreten, und zum anderen endgültig zu klären, ob denn nun wirklich JEDE Stadt am Meer eine Strandpromenade ihr eigen nennt, oder nicht. Da diese Frage vor Ort nur unzureichend geklärt werden konnte, werden wir uns zur Klärung dieses Problems im Januar 2011 in Griechenland weiter diskutieren.
Da die Zeit in Form von Herrn Heinisch etwas drängte, begaben wir uns nun auf die Autobahn, um uns entsprechend schnell unserem heutigen Etappenziel Cadiz zu nähern. Nach einigen unwesentlichen Abweichungen von der Ideallinie – aber ohne dabei, wie von Herrn Klünder gewünscht die Abkürzung über die Tankstelle zu nehmen – erreichten wir kurz von Einbruch der Dämmerung unser Hotel. Es handelte sich um ein günstiges 1 Sterne Hotel, das vor allem von Formel 1 Fans sehr gerne genutzt wird. So jedenfalls wurde uns die Unterkunft von Reisemarschall Heinisch angepriesen, und wer seine Ferien schon in entlegeneren Orten als London, Rom oder New York verbracht hat weiß, was das bedeuten kann.
Entsprechend positiv war die Überraschung, als wir vor einem relativ neuen Würfel auf halber Strecke zwischen Cadiz und Jerez standen. Nach einer kurzen Diskussion, ob wir wohl die Tiefgarage nutzen dürfen, und ob unser Bus da überhaupt reinpassen würde, setzten wir voll auf Risiko, um festzustellen, dass es sich bei dem Engpass vor uns um eine Einfahrt zum Hof handelte, in dem selbst ein Offenbacher das Auto problemlos hätte abstellen können. (Das Bild entstand bei Tageslicht, nicht in der Dämmerung – soviel/so wenig zur Erklärung)
Erneut waren nun die Spanischkenntnisse des Herrn Wörner gefragt, um den Rezeptionisten dazu zu bewegen, uns mit den reservieren Keycards zu versehen. Nachdem auch das geklärt war, und ausgiebig von der kostenlosen W-Lan Verbindung Gebrauch gemacht wurde, galt es endlich mal wieder etwas zu essen.
Allerdings ging auch das natürlich nicht ganz ohne Diskussionen. Zunächst war zu klären, wie reizvoll eine Fährfahrt bei Dämmerung ist. Erschwerend kam hinzu, dass weder über die Fahrzeiten (insbesondere der Rückfahrt), noch über den tatsächlichen Abfahrtsort Gewissheit herrschte. Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, dass die Fähre keine Option ist, musste die Frage beantwortet werden, wo wir den Abend verbringen wollten.
Wir entschieden uns, die etwas weiter entferntere, dafür aber sicher reizvollere Altstadt aufzusuchen, wo nach ca. 15 minütiger Fahrzeit ein Parkplatz gefunden werden musste.
Als die Stimmung zu kippen drohte, wurde beschlossen, dass der Freiraum an der Fußgängerfurt vor dem Bushaltestellenhäuschen sehr wohl ein Parkplatz sei, und dass man sich jetzt endlich ins Nachtleben stürzen könnte.
Unnötig darauf hinzuweisen, dass wir jetzt unmöglich einfach in die nächst beste Bar gehen konnten.
Um mir die Zeit bis zum nächsten ein wenig zu versüßen suchte ich einen Eissalon auf, um mich mit den hiesigen Sitten und Gebräuchen vertraut zu machen. Um Euch an meinem Wissen teilhaben zu lassen: Eis wird hier nicht nach Kugeln, sondern nach Menge abgerechnet, wobei die Menge nicht zwangsläufig die Anzahl von Geschmacksrichtungen definiert – oder einfach: Man kann sogar die kleinste Portion in fast beliebig viele Sorten aufteilen. Um es der Eiscremefachverkäuferin jedoch etwas einfacher zu machen, habe ich davon abgesehen, die kleinste Portion zu kaufen.
Wir schlenderten dann durch die Altstadt, wo wir zuerst in einer typischen Kneipe unseren Flüssigkeitspegel ausglichen, um anschließend in einem Restaurant unser Nachtmahl einzunehmen. Aufgrund des hervorragenden Mittagessens nötigten wir Jörg seine Kollegin um eine Adresse in Cadiz anzusimsen. Auch dieser Tipp war nicht zu verachten.
Nach dem Abendessen fuhren wir zurück zum Hotel, wo sich die Herren gesetzteren Alters zur Nachtruhe zurückzogen, während die jüngeren weiter ihrem Erkundungsdrang nachgaben. Wie sie am nächsten Tag berichteten, stießen sie dabei ganz in der Nähe des Hotels auf einen Club, in dem sie gedachten, noch ein wenig zu verweilen. Schlechterdings waren dort außer ein paar Herren des Firmeneigenen „Sicherheitsdienstes“ nur noch einige weibliche Angestellte anzutreffen, deren Berufsbild mit dem deckt, das böse Zungen der Mutter des sympathischen Herrn Hopp nachsagen – allerdings ohne optisch den landläufigen Vorstellungen zu entsprechen. Davon enttäuscht zogen auch sie sich bald zurück auf ihr Zimmer, so dass einem geordneten Ablauf des 3. Tages nichts mehr im Wege stand.
(Fortsetzung folgt)