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Eintracht Frankfurt und die gesamte Bundesliga haben sich wirtschaftlich konsolidiert / Neue Gefahren drohen allerdings bei Wegfall von "50%+1"


(sm) Früher war der März eine Jahreszeit, der die Eintracht - wie auch manch anderer Erstligist - mit einem gehörigen Zittern entgegen sah. Alljährlich müssen zum 15.3. die Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren abgegeben und dabei vor allem die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" nachgewiesen werden. Was noch vor wenigen Jahren den Verantwortlichen und den Fans den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hat, ist mittlerweile zur Routine, allenfalls zur lästigen Pflicht geworden.

Der Angstschweiß kehrt jedoch zumindest bei demjenigen zurück, der sich eingehender mit der von "interessierten Kreisen" eingeleiteten Offensive zur Abschaffung der sog. "50%+1"-Regel befasst.


Während noch vor ein paar Jahren Medien und Fans im Frühjahr stets bange über die "wahre" Finanzlage der Eintracht spekulierten und mit Sicht auf das Lizenzierungsverfahren händeringend auf beruhigende offizielle Verlautbarungen warteten (denen man dann aber doch nicht ganz vertraute), so wurde diesmal die Pressemiteilung der Eintracht über ihr Geschäftsergebnis völlig unaufgeregt abgehakt. Wie die Eintracht am 12. März bekannt gab, habe man im Jahr 2007 einen Überschuss von rund 4 Mio. Euro erwirtschaftet, und das Eigenkapital per 31.12.07 betrage nun 16,4 Mio. Euro. Na schön, sagt sich die Öffentlichkeit, aber wann spielt jetzt Caio? Um diese Zahlen besser einordnen zu können, hier noch zum Vergleich: Im Jahr 2002, dem Jahr des Beinahe-Lizenzentzuges, hatte Eintracht Frankfurt noch ein negatives Eigenkapital. Und 4 Mio. Euro waren genau der Betrag, der uns damals fast die Existenz gekostet hätte. Denn zur Deckung des Etats fehlten damals noch 4 Mio. Euro, die deshalb durch die umstrittene HeLaBa-Bürgschaft abgesichert werden mussten.

Eintracht Frankfurt hat sich, keine Frage, in den letzten Jahren wirtschaftlich stabilisiert. Das ist, auch dies steht außer Zweifel, in erster Linie ein Verdienst der ökonomischen Vernunft und der ganz überwiegend bewiesenen sportlichen Weitsicht, die seit dem Dienstantritt Heribert Bruchhagens im Dezember 2003 das Handeln der Eintracht Frankfurt Fußball AG prägen.

Allerdings ist auch festzuhalten, dass Eintracht Frankfurt mit ihrer wirtschaftlichen Konsolidierung wahrlich nicht alleine dasteht, sondern insoweit dem bundesweiten Trend folgt. Fast zeitgleich mit der Pressemitteilung der Eintracht zu ihren jüngsten Geschäftszahlen legte die DFL ihren sog. "Bundesliga Report 2008" vor, praktisch eine Gesamtbilanz der Liga. Und auch diese liest sich so, wie man es vor Jahren noch für undenkbar gehalten hätte: Alle 18 Erstligisten haben in der Saison 2006/07 - der ersten Spielzeit nach der WM-Hysterie - Gewinne und Rekordumsätze erzielt. Kein Verein mehr weist ein negatives Eigenkapital auf; ligaweit wurden die Schulden in einem einzigen Jahr um mehr als 100 Mio. Euro reduziert.

Verkauf ganzer Vereine an Finanzinvestoren

Leider sind wirtschaftlich gute Zeiten oftmals auch der Nährboden für fatale strategische Fehlentscheidungen. Kaum hat sich die Liga wirtschaftlich stabilisiert, möchten manche Funktionäre nun gleich weiter und kräftiger als je zuvor an der Kommerzialisierungsschraube drehen.

Die sog. "50%+1"-Klausel, wonach die eingetragenen Vereine stets die Mehrheit an ihren Profiabteilungen behalten müssen, gehöre aus den Statuten von DFB und DFL gestrichen. Nur so könne man weiteres Kapital in die Liga locken, mit dessen Hilfe dann der sportliche Rückstand zu den Ligen in England, Spanien und Italien angeblich aufgeholt werden könne - so gaukelt uns unablässig eine unheilige Allianz von Kapitalinteressen, Vermarktungs-Lobbyisten und niedersächsischen Hörgeräte-Herstellern vor.

Deren Argumente sind dabei allerdings ebenso falsch wie allein von ihren durchsichtigen Interessen geleitet. Immer wieder wird behauptet, dass man dann endlich die wirklichen Starspieler in die Bundesliga holen (und auch mal wieder einen Europapokal gewinnen) könnte. Gerade das würde aber ziemlich sicher nicht eintreten: Selbst wenn die Spitzenvereine der Bundesliga mit den finanziellen Möglichkeiten von Chelsea, Milan oder Real Madrid gleichziehen könnten, würde die erste Klasse der Weltstars kaum in Deutschland spielen. Dafür sorgt allein schon das Steuerrecht, das für Ausländer in Großbritannien, Spanien und Italien weit attraktiver ist als jenes hierzulande. Ein deutscher Club müsste einem Ronaldinho brutto fast das Doppelte zahlen, damit er netto dasselbe bekommt wie in Spanien.

Was die Befürworter einer Abschaffung von "50%+1" ebenfalls gerne verschweigen: Die von ihnen als so nachahmenswert erachteten Ligen sind sportlich langweilig und von einem großen Gefälle geprägt. Gerade in Italien ist gut zu beobachten, dass sofort hinter den drei Großen das graue sportliche Mittelmaß beginnt. UEFA-Pokalteilnehmer wie Palermo, Empoli, Udinese usw. scheitern meist sehr früh. In dieser Saison hat die Bundesliga im Europapokal weit mehr Punkte für die 5-Jahreswertung gesammelt als Italien!

Man muss es ganz klar und deutlich so sagen: Es sind die Totengräber des Fußballs, die so sprechen. Die sportliche Folge einer Abschaffung von "50%+1" wäre wohl kaum das "versprochene" Durchstarten der Bundesliga an die Spitze der UEFA 5-Jahreswertung. Die Folge einer Abschaffung von "50%+1" wäre vielmehr schlicht und ergreifend das Ende des Fußballs, wie wir ihn in Deutschland bisher kennen. Und mit Sicherheit das endgültige Ende der aktiven Fanszenen.

Das Ende jeglicher Fankultur

Denn eines ist jetzt schon klar: Seit Einführung der Bundesliga 1963 hätte es keine Entscheidung mehr gegeben, die den deutschen Fußball derart nachhaltig und irreversibel verändern würde wie diese. Die Konsequenzen würden alle Fans in Deutschland spüren und erleben, ganz egal, wie der "eigene" Verein sich verhält bzw. ob, wann und unter welchen Umständen er sich Kapitalanlegern öffnet:

· in der Bundesliga wird es künftig vermehrt "Vereine" wie Wolfsburg und Hoffenheim geben - geschichts- und anhängerlose Produkte eines Kapitalgebers, der notfalls 11 Brasilianer zusammenkauft und in irgendeiner bislang vom Fußball nicht verwöhnten Gegend gehobenes Fußball-Entertainment anbietet. Da aber die Bundesliga nicht aufgestockt wird, werden dafür Traditionsvereine runtermüssen.

· So wie in der "normalen" gewerblichen Wirtschaft Arbeitsplätze auch dann abgebaut werden, wenn die Unternehmen Gewinne erwirtschaften und zweistellige Zuwachsraten haben (eben weil nach der "Freisetzung" noch mehr Rendite erwartet werden kann), so werden wir auch im Fußball dem shareholder value Tribut zollen müssen: Schluss mit billigen Stehplätzen, wo die Saisondauerkarte nur 100 Euro kostet; weg mit sozialverträglichen Preisen. Fußball kann sich auch bzw. sogar besser als hochpreisiges Produkt verkaufen. Wer da nicht mitmacht, wird wegen seines Erlös-Steigerungspotentials schnell zum Übernahme-Kandidaten...

· Raus also mit den die wirtschaftliche Entwicklung hemmenden Fankurven und Fanszenen. Die haben erstens eh zu wenig Kaufkraft, sind zweitens zudem überdurchschnittlich konsumkritisch und kleiden sich eher mit Produkten aus Kollektionen der eigenen Szene ("Ultra-Zipper" oder Fanclub-Pullis usw.) statt die offiziellen Merchandising-Produkte des "Vereins" zu erwerben, weswegen sie auch - drittens - für die Sponsoren uninteressant sind, die im Umfeld der Spiele ihre Produkte bewerben. Eine große und aktive Fanszene, so wie wir sie heute noch bei vielen Vereinen haben und kennen, ist dem shareholder value enorm abträglich. Fans sind genauso überflüssig und störend wie Nokia-Arbeiter in Bochum.

· Da die private-equity-Gesellschaften, die Hedge-Fonds und die durchgeknallten Milliardäre dieses Erdballs dann ja auch sofort Gesellschafter der DFL werden, wenn sie einen Verein gekauft bzw. hochgebracht haben, werden deren Entscheidungen in Zukunft noch renditeorientierter und fan-unfreundlicher werden. Neun verschiedene Anstoßzeiten - darunter einige, die mit dem asiatischen Fernsehmarkt kompatibel sind -, die Aufnahme von Sponsorennamen in die Vereinsnamen, der Wechsel von Vereinsfarben (bringt auch für den Fanartikelverkauf einen enormen Nachfrageschub), Werbung auch auf der Hose und Trikot-Rückseite usw. usf. - die Liste möglicher Schreckensentscheidungen ist lang...

· Spätestens mit dem beliebten Argument "das würde vor Gericht nie halten!" würde irgendwann durchgesetzt werden, dass man eine Bundesligalizenz auch verkaufen oder den Sitz des "Vereins" auch in eine andere Stadt verlegen darf. Schließlich stellen die Lizenzen den werthaltigsten Vermögenswert der Bilanz dar. Und welche Rechtsordnung darf einem privaten Unternehmen schon verbieten, Teile seines Anlagevermögens zu veräußern oder seinen Sitz zu verlagern?

· Irgendwann wird man bedauernd feststellen, dass die Investoren vor allzu großen Risiken zurückschrecken, weil halt immer noch pro Saison zwei oder drei Vereine absteigen. Dann beginnt der öffentliche Meinungskampf gegen diesen deutschen Anachronismus, und bald schon wird man nach dem Vorbild der amerikanischen Profiligen (oder der deutschen Eishockey-Liga) Auf- und Abstieg abgeschafft haben. Notfalls legt halt irgendeine renommierte, wirtschaftsrechtlich ausgerichtete Kanzlei der DFL ein Gutachten vor, wonach der Abstieg ein unzulässiger Eingriff in die Gewerbefreiheit ist und vor Gericht niemals Bestand hätte...

Und wir? Wir werden den Tag verfluchen, an dem die DFL die "50 +1"-Regel gekippt hat, ohne dass wir wenigstens versucht hätten, Widerstand zu leisten...

Ein Widerstand, der sich allerdings mittlerweile zu formieren beginnt. Die bekannten bundesweiten Fanorganisationen - Unsere Kurve, BAFF, Pro Fans - sprechen gerade untereinander ab, welche Maßnahmen man ergreifen kann und will. Das Thema wird uns und die aktiven Fans bundesweit also gewiss noch eine Weile beschäftigen...

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