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Der tiefe Fall des Jermaine Jones |
(jh) Ursprünglich sollte der aktuelle Fall Jermaine Jones gar kein Thema für die neue Ausgabe werden. Die Darstellungen in der Öffentlichkeit durch Jones und die Realität klafften zwar soweit auseinander, wie man es sich kaum vorstellen kann. Noch mehr Unruhe sollte durch einen Beitrag von Fgv in der aktuellen Situation der Eintracht nicht entstehen. Außerdem sollten die internen und vertraulichen Informationen, die zum Teil eben nicht geschrieben werden sollten, zurückgehalten werden, bis sich der Sturm gelegt und Jones die Eintracht verlassen hat. Doch die Bombe ist längst hochgegangen. Im Stadion ist es durch transparente präsent wie fast kein anderes Thema. Im Internet haben die „Unmutäußerungen“ gegenüber Jones wie eine riesige Welle alles überflutet. Der für das Ende September erscheinende Buch „Eintracht intim – Anekdoten und Kuriositäten aus der Geschichte von Eintracht Frankfurt“ formulierte Beitrag war bereits fertig. Dafür war er aber dann wohl doch zu lang – und so erscheint es nach der fortgeschrittenen Entwicklung in diesem Fall, doch „schon jetzt“ in Fgv das Thema aufzugreifen, wenn entscheidende Informationen auch bereits zuvor bei uns zu lesen waren.
Der tiefe Fall: Der einst bei den Anhängern beliebte Jermaine Jones erlebte bei seinem Fortgang von der Eintracht zu Bayer Leverkusen zum Jahreswechsel 2003/04 einen ungeahnten Popularitätsverlust. Kündigte er nach dem Aufstieg 2003 noch an, die Eintracht in den UEFA-Cup zu schießen, wechselte er nach folgenden schlechten persönlichen Leistungen (Kicker-Notenschnitt 4,5) von der sportlich angeschlagenen Eintracht zu Europapokalteilnehmer Bayer Leverkusen. Nur ein Jahr später kehrte er zurück und ließ seiner Ankündigung vom November 2003, dass er es noch schaffen würde, dass ihn die Fans nicht mehr beschimpfen würden, Taten folgen. Er etablierte sich als Vorzeigespieler für höchste Einsatzbereitschaft, hatte hohen Anteil am Wiederaufstieg in die Bundesliga 2005 und hohe Ansprüche an sich selbst. Während allgemein spekuliert wurde, wann der Bundestrainer Jones in die Nationalmannschaft berufen könnte, wurde er zum Spielführer der Eintracht berufen, dem mit 25 Jahren jüngsten in der Eintracht-Geschichte. Zurückgeworfen wurde Jones immer wieder von Verletzungen – weshalb seine Bilanz an gespielten Bundesligaspielen sehr spärlich ausfiel. Die Eintracht, die dem Spieler entgegen kommen wollte und ihm in einer der langen Verletzungspausen zu Beginn der Saison 2006/07 ein zukunftsicherndes Vertragsangebot vorlegen wollte, stieß auf einen ablehnenden Jones, der erst wieder verhandeln wollte, wenn er wieder fit sei und spielen würde. Zu dieser Zeit kamen Meldungen auf, wonach Jones, mit Schalke 04 über einen Wechsel verhandeln würde. Als dies in der Fanszene zu Unverständnis und Unruhe führte, meldete sich Jones sogar im offiziellen Internet-Forum der Eintracht zu Wort und konnte die Anhänger beschwichtigen, indem er darauf verwies, dass alles offen sei und er erst zu dem späteren Zeitpunkt Gespräche führen wollte.
Im März 2007 – Jones war immer noch nicht fit und schien auch noch länger auszufallen – ließ er mit seinem Berater wiederum einen Termin platzen. Bis dahin beharrte er in der Öffentlichkeit darauf, dass weiterhin alles offen sei. Wieder begehrte das Fanvolk auf, wieder meldete sich Jones im Forum zu Wort und bat um Verständnis, u.a. dass man als Spieler die Chancen auf höhere sportliche Herausforderungen wahrnehmen müsse, woran auch mehr Gehalt gekoppelt ist, und dass er Zweifel habe, in Frankfurt eine „unsterbliche Persönlichkeit“ werden zu können. Doch diesmal ging der Kommunikationsversuch von Jones nach hinten los. Das Argument seiner Chance war dem Großteil des Anhangs weniger ein Dorn im Auge, vielmehr störte die Fans, dass Jones den Anhängern offenbar weismachen wollte, es sei alles offen und er sei so stolz, in Frankfurt zu sein. Und in der Tat wird der daraufhin in der Publikumsgunst auf das Tiefste gesunkenen Jones, dem die Fans im Dezember noch einen Gänsehaut-Empfang bei seinem ersten neuen Kurzeinsatz bereitet hatten, durch die Fakten entlarvt. Die sahen so aus: Anfang des Jahres 2007 übermittelte seine Lebensgefährtin Sarah Gerth die Abmeldung ihrer Kinder aus dem Kindergarten. Schon im Sommer 2006 verkaufte Gerth den von ihr betriebenen Gastronomiebetrieb und plante für ein neues kapitalerforderndes Unternehmen. Jones unterschrieb schon damals – wie manche Spielerberater behaupteten und sein früherer Berater, sein eigener Onkel, bestätigte – einen Optionsvertrag mit Schalke 04. Als er erkannte, dass in Frankfurt nichts mehr zu retten war, verkündete er – immer noch im März – seinen Abgang von der Eintracht.
Jermaine Jones war lediglich ein Jahr lang bemüht, einen besseren Abgang als beim ersten Fortgang aus Frankfurt zu bekommen und damit ganz nebenbei zu verschleiern, bereits viel zu früh mit Schalke 04 ein Vertragswerk erstellt zu haben – denn die Regulaarien besagen, dass interessierte Vereine erst ein halbes Jahr vor Vertragsende Spieler kontaktieren dürfen. Daran haben sich die Gelsenkirchener aber nicht gehalten. Und plötzlich musste Jones sogar noch zittern, ob er bei den Gelsenkirchenern wirklich landen würde. Statt die Option zu ziehen, verlängerten sie erst einmal die Option – und die medizinische Untersuchung galt es auch erst noch zu überstehen. Alles keine günstigen Voraussetzungen, wenn man plötzlich einen hohen monatlichen Bedarf an Geldzufluss hat ...
Leidtragende der Jones-Verschleierung waren die Eintracht und ihre Anhänger: Jones hatte mehreren Mitspielern in der Kabine von immer wieder neuen Angeboten anderer Klubs vorgeschwärmt und diese angesichts der Außendarstellung gegen sich aufgebracht. Sein Freund Albert Streit gibt sich kaum anders. Zusammen mit den Forderungen von Ioannis Amanatidis, spielen zu wollen, obwohl die gezeigten Leistungen nicht stimmten, führte dies unter den Spielern zu einer Unruhe, mit der ein Absturz in der Tabelle einher ging. (Dies soll natürlich nicht heißen, dass die beiden Spieler die alleinige Verantwortung für den Einbruch tragen.)
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