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Das Aus für die U23 - Schnellschuss mit langfristigen Folgen?

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Ein Gastbeitrag von Michael Gabriel

Jetzt sind schon ein paar Wochen vergangen, seit im Sommer für alle überraschend die U23-Mannschaft abgemeldet wurde. Dieser Artikel möchte einen kritischen Blick auf die sportlichen Aspekte dieser Entscheidung werfen, aber auch auf die Art und Weise, wie diese Entscheidung gefällt wurde. Schnell und ohne Diskussionen. Zu schnell.

Im umkämpften Geschäft Bundesliga befindet sich die Eintracht, wie auch die anderen sogenannten Traditionsvereine, in einem harten Konkurrenzkampf. Sie muss sich gegen Clubunternehmen, wie den FC Bayern oder Borussia Dortmund behaupten, die nicht nur an der Spitze bei der Verteilung der Fernsehgelder liegen, sondern gleichzeitig auch noch von finanzstarken strategischen Partnern der Kaliber adidas, Allianz oder Evonik finanziell unterstützt werden. Dann gibt’s da ja noch „Vereine“ wie Wolfsburg, Hoffenheim oder RB Leipzig, die ja bekanntlich über ganz spezielle Geldquellen verfügen. Zur Eintracht aufgeschlossen (oder uns teilweise schon überholt?) haben einige sogenannten Konzeptvereine wie Mainz oder Freiburg, die sehr konsequent auf die Ausbildung der eigenen Jugend setzen.

Die Verantwortlichen bei der SGE müssen sich natürlich Gedanken darüber machen, welche Strategie sie verfolgen, um sich dieser Konkurrenz zu erwehren und um vielleicht regelmäßiger die internationalen Plätze angreifen zu können.

Mit der kurzfristigen Verpflichtung von Timo Hildebrand gerät nun endgültig eine strategische Entscheidung des Sommers in den Fokus, die bisher kaum diskutiert wurde: Die Abmeldung der U23-Mannschaft aus dem Spielbetrieb der vierthöchsten Spielklasse. Eine strategische Entscheidung mit ganz aktuellen Auswirkungen, die aber auch viel langfristiger wirkt, denn sollte es sich die Eintracht einmal anders überlegen, müsste eine neu anzumeldende Mannschaft in der untersten Spielklasse beginnen.

By the way: Interessant wäre es schon zu erfahren, wie teuer der Eintracht die Verpflichtung von Timo Hildebrand kommt und wie lange man mit dem Geld die U23 hätte finanzieren können.

Auf den Internetseiten der Eintracht – bei AG oder e.V. – sucht man vergeblich nach Hintergründen zur Abmeldung, die offenbar einstimmig durch die zuständigen Gremien, d.h. Vorstand und Sportdirektor der Fußball AG, Präsidium des Vereins und der Leitung des Leistungszentrums getroffen wurde.

Um eine Begründung zu finden, ist man auf die Äußerungen in den Zeitungen angewiesen. Dort sind es die beiden sportlich Hauptverantwortlichen im e.V., Armin Kraaz und Alex Schur, die hauptsächlich zu Wort kommen und sich redlich bemühen, zu erklären, dass die Abmeldung keine finanziellen Gründe gehabt habe, sondern vor allem sportliche Überlegungen den Ausschlag gegeben haben.

Wahrscheinlich sind Armin Kraaz und Alex Schur diejenigen beim e.V., die am wenigsten von der Abmeldung überzeugt sind, sind doch gerade sie zwei lebende Beispiele für die Sinnhaftigkeit dieser Nachwuchsleistungsmannschaft. Beide haben sich hier ihre ersten sportlichen Meriten im Seniorenbereich erarbeitet und für die Bundesliga fit gemacht.

Das „sportliche“ Argument kann man aber getrost bezweifeln, da die von der Eintracht selbst geschaffenen Fakten etwas ganz anderes aussagen: Immerhin wurde noch kurz zuvor Alex Schur’s Vertrag als Trainer der U23 verlängert. Macht man das, wenn man strategisch über die Abmeldung der Mannschaft nachdenkt?

Gegen diese Argumentation steht auch die Aussage des Regionalligachefs Sascha Döther, der  im Interview mit der Frankfurter Rundschau bekannt gibt, dass die Eintracht als erster Verein überhaupt und lange vor Abgabefrist, die Unterlagen für die U23 für die neue Saison einreichte. Selbst eine mittelfristige sportliche Planung sieht definitiv anders aus!

Es spricht also vieles für einen anderen Grund – die große Finanznot des Vereins. Bei der letzten Mitgliederversammlung im Januar 2014  wurden Verbindlichkeiten von 13,5 Mio Euro ausgewiesen (Quelle: Bilanz zum 30.6.2013
Pos. C Verbindlichkeiten)". Die finanzielle Situation des Vereins ist besorgniserregend, wie der neue Schatzmeister Förster im Dezember letzten Jahres mitteilte.

Und damit kommen dann andere Verantwortliche in den Fokus: Im Präsidium hat man wohl durch die Lockerung der DFL-Bestimmungen bei der U23, die durch Bayer Leverkusen beantragt wurde, die Möglichkeit gesehen, auf die Schnelle 700.000 Euro einzusparen, sich dann zusammengesetzt, (Vorstand AG, sportliche Leitung AG, Präsidium e.V. und Nachwuchsleistungszentrum) und nach „Analyse der letzten zehn Jahre“ (Kraaz) festgestellt, dass die U23 zu wenig geliefert habe.

Ganz offensichtlich war unter diesem Zeitdruck nicht ausreichend Zeit vorhanden, alternativ einmal zu analysieren, warum da so wenig geliefert wird. Dann hätte zwangsläufig die Qualität und Struktur der eigenen Nachwuchsarbeit auf einen selbstkritischen Prüfstand kommen müssen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass es interessant sein könnte, mal selbstkritisch zu schauen, warum Spieler wie Marko Marin, Niklas Süle, Emre Can, Jan Kirchhoff oder auch Timothy Chandler, die alle bei der Eintracht in der Jugend spielten, hier den Sprung nach oben nicht geschafft haben. Oder warum ein vielversprechender junger deutscher Spieler wie Marc-Oliver Kempf nach Freiburg abgegeben wird und man bei der Eintracht offenbar lieber auf den 34jährigen Alexander Madlung setzt.

Vielleicht gibt es bei jeder einzelnen Personalie einen guten Grund – vielleicht liegst es aber auch an der Qualität der Nachwuchsarbeit und/oder an der Durchlässigkeit nach oben.

An dieser Stelle muss ein seit vielen Jahren offensichtliches Strukturproblem in den Blick genommen werden. Die organisatorische Trennung von NLZ (beim e.V.) und Profifußball (bei der AG) und das offensichtlich damit verbundene Fehlen eines durchgängigen Ausbildungskonzepts von der U14 bis zu den Profis. Während bei der Eintracht öffentlich gejubelt wird, wenn mal ein Cheftrainer den Weg an den Riederwald findet, um ein Jugend- oder U23-Spiel zu beobachten, war es z.B. bei Hoffenheim Teil des Gesamtkonzepts, dass der Cheftrainer, einmal in der Woche eine Trainingseinheit mit den talentiertesten Jugendlichen selbst leitete. Da muss man sich nicht wundern, wenn hoffnungsvolle Nachwuchsspieler lieber in den Kraichgau wechseln. Hinweise auf die besseren finanziellen Rahmenbedingungen von Hoppheim, die an dieser Stelle oftmals eingeworfen werden, taugen jedoch nur dazu, sich selbst weiter in die Tasche zu lügen.

Warum es bis heute nicht gelungen ist, das NLZ endlich in die AG zu überführen, entzieht sich meiner Kenntnis. Bekanntlich befürwortete der langjährige Vorstand der AG, Pröckl und Bruchhagen, diese Variante. Offenbar scheiterten beide am Widerstand innerhalb des e.V.. Aber der Eindruck bleibt dennoch, dass die notwendige Eingliederung über die Jahre nicht mit ausreichendem Nachdruck angegangen wurde.

Die Verantwortlichen des Nachwuchsleistungszentrums und das Präsidium heben dennoch zu jeder Gelegenheit die angeblich hohe Qualität der vereinseigenen Nachwuchsarbeit hervor. Dabei lassen sie sich durch nichts irritieren, nicht durch die ja auch von ihnen selbst konstatierte mangelnde Durchlässigkeit nach oben, nicht durch die oben genannten Personalien und auch nicht – aktuell – den Tabellenstand der U19. Peter Fischer war sich in seinem Vorwort des letzten Eintracht-Magazins nicht einmal zu schade, den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien mit der guten Nachwuchsarbeit der Eintracht zu erklären. „Wir alle sind Weltmeister!“ Die peinliche Anbiederei an den Erfolg anderer macht in diesem Vorwort nicht einmal vor den Farben der Trikots der Nationalmannschaft halt, die ja bekanntlich in schwarz-roten Jerseys auflief. Und dass dann noch Jogi Löw (ein Jahr bei der Eintracht) und Andreas Köpke (zwei Jahre) einverleibt werden, ist zwar ebenfalls peinlich, passt aber wie die Faust aufs Auge.

Viel interessanter wäre es jedoch, einmal zu erfahren, ob die von Bernd Reisig, dem ehemaligen Manager des FSV Frankfurt, nach der WM präsentierte Statistik, der zufolge 20 der 23 Spieler des Weltmeisters in ihren jungen Jahren die U23-Mannschaften als Sprungbrett für ihre großen Karrieren genutzt haben, bei den Verantwortlichen der SGE zu Nachdenklichkeit bzw. Selbstkritik geführt hat. Die Statistik belegt eindrücklich, dass die Entwicklung eines Spielers mit 19 Jahren noch nicht abgeschlossen sein muss und dass es demzufolge sinnvoll ist, diese in einer U23 weiter zu entwickeln.

Apropos sinnvoll: Nicht nur für einen dritten Torwart wäre die U23 sinnvoll, sondern auch für Sonny Kittel, David Kinsombi, Marc Stendera, Luca Waldschmitt oder Joel Gerezgiher. Spiele gegen die erfahrenen Profis von Waldhof Mannheim, Kickers Offenbach oder den 1. FC Saarbrücken wären für die Entwicklung von unseren jungen Spielern mit Sicherheit hilfreich. Und wo holen sich zukünftig die verletzten Spieler die Spielpraxis und die Sicherheit, die sie in der Bundesliga brauchen?

Wie man es dreht und wendet, es bleiben viele Fragen unbeantwortet. Und man wird in ein paar Jahren sehen, was diese Entscheidung gebracht hat. Ich befürchte, es wird uns allen nicht gefallen.

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