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Ausgewählte Interviews

Axel Hellmann: Wir werden beneidet

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Axel Hellmann, Vorstandsmitglied der Eintracht Frankfurt Fußball AG, über die Zusammenarbeit mit Heribert Bruchhagen, Transparenz und financial fairplay

  (dc/ak) Wir haben uns kurz nach Weihnachten mit Axel Hellmann in seinem Büro getroffen, um uns über die aktuelle Situation und die jüngere Geschichte der Eintracht zu unterhalten. Als juristischen Beistand hatten wir dieses Mal Uli Haase dabei.

Hallo Axel, eigentlich ist dieses Interview ja schon seit einem Jahr geplant, um Dich als "neues Präsidiumsmitglied" der AG vorzustellen, und nachdem Du Dir erst einmal etwas Einarbeitungszeit gewünscht hast, ist es nun endlich zu diesem Termin gekommen. Deine Eintracht-Vita ist ja auch ganz interessant.

Das ist richtig! Und Du (gemeint ist Andy Klünder, Anm. d. Red.) bist ja auch einer der Gründe, warum ich heute hier bin. Du hast ja damals 1999 mit Guido Derckum und Mathias Scheurer diese Initiative gegründet, und da habt Ihr über die Eintracht-Mailingliste Leute gesucht, die Euch dabei unterstützen - vor allem auch Leute mit rechtlichem Hintergrund. Ich war damals gerade mit meinem 2. Staatsexamen fertig und stand vor der Frage "Bleibe ich in Berlin, oder gehe ich zurück nach Frankfurt". Und ausschlaggebend für diese Entscheidung war der Gedanke "Es ist schon scheiße, die ganze Zeit so weit weg von der Eintracht zu sein". Und dann kam Ende ´99 diese Initiative vor der 2000er Jahreshauptversammlung. Ich habe dann einfach mal so bei Guido Derckum angerufen und mich vorgestellt und dann haben wir uns kurz darauf bei Euch im Büro getroffen. Und das Bild, das Ihr da von der Lage der Eintracht gezeichnet habt, ließ nur den Schluss zu: Wir müssen wirklich initiativ werden. Ich bin darauf hin zurück nach Frankfurt gezogen und bin in eine Anwaltskanzlei eingestiegen.

Aus dieser Gruppe ging ja dann damals die Gründergruppe der Fan- und Förderabteilung (FuFA) hervor.

Nach der Gründung der FuFA hast Du ja dann auch im e.V. Verantwortung übernommen.

Das war im August 2001, also gut ein Jahr nach der Gründung der FuFA. Peter Fischer wollte damals als neuer Vereinspräsident jüngere Leute im Vorstand haben. Das damalige Präsidium bestand aus Peter Lämmerhirdt, Josef Wolf, Hans-Joachim Schröder und Klaus Lötzbeier. Er kam dann auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich ihn als Vizepräsident beim Neubau "Riederwald" unterstützen könnte. An sich hat mir das damals gar nicht so sehr in meine Planung gepasst, denn ich hatte mich gerade auf einen anderen Weg festgelegt. Aber der Peter hat dann gesagt "Dann machst Du das eben teilweise hauptamtlich". So ist es eben - die Eintracht greift mit Haut und Haaren nach Deinem Leben.

Aber ich will jetzt auch gar nicht so tun, als wären einem die Themen aufgenötigt worden. Wenn man erst mal da drinnen ist, will man auch was bewegen und greift von sich aus nach den Themen und besetzt wichtige Positionen. Danach wurde auch das Präsidium umformiert und das Thema Riederwald endlich mal konkret aufgegriffen. Uns wurden ja damals viele Millionen von Octagon in Aussicht gestellt, und damit hätte man auch was Schönes am Riederwald bauen können. Aber dann, im Dezember 2001 kam der große Bruch, hat sich Octagon als Folge des 11. Septembers aus dem gesamten Eintracht-Engagement zurückgezogen und alle Träume zum Platzen gebracht Da geriet die Eintracht brutal ins Wanken, weil alles auf dem Geld von Octagon aufgebaut war. Matthew Wheeler von Octagon hat in den Gesellschaftergesprächen auch immer so getan, als würde das Geld nur darauf warten, ausgegeben zu werden. Uns wurden ja 50 Millionen in Aussicht gestellt, aber mit dem Rückzug brach das Kartenhaus eben auch ganz schnell wieder in sich zusammen. "Was geht ab? Die neue Eintracht" war gescheitert…

Und dann begann ja die große Suche nach einem Vorstandsvorsitzenden. In wie weit war denn der e.V. als Hauptanteilseigner daran beteiligt? Damals war ja schon Heribert Bruchhagen im Gespräch, aber wir bekamen "Dr. Seltsam".

Es waren damals schwierige Verhältnisse. Seitens bestimmter Vertreter der Fußball AG ist im Vorfeld der Mythos vom chaotischen e.V. aufgebaut worden. Die Wahrheit war aber eine andere: In der Amtszeit von Peter Fischer hatte die AG insgesamt sieben oder acht Vorstandsvorsitzende und es gab keine Kontinuität. Da waren Ehinger, Jedlicki, Pröckl, Varszegi, Sparmann, Schuster, Beeck und am Ende Bruchhagen.

Nach dem Octagon-Ausstieg hatte Eintracht Frankfurt ja drei Probleme: Es gab keine Philosophie, wie es mit der Eintracht weitergehen würde, es gab ein enormes wirtschaftliches Problem, und es gab ein Führungsproblem. Und letzteres war im Grunde das gravierendste, weil es unterschiedliche Vorstellungen über die Art der Besetzung gab. Die Vereinsvertreter haben sich für eine hauptamtliche Besetzung ausgesprochen. Man wollte einen Profi und war der Meinung, so etwas gehe nicht ehrenamtlich. Darüber hinaus wurde ein Finanzmann favorisiert, weil da kurzfristig die größten Probleme der Eintracht lagen. Die sportliche Kompetenz war nachgelagert. Schon damals wurde mit Bruchhagen verhandelt, wobei sein Engagement daran scheiterte, dass er die Position hauptamtlich bekleiden sollte und der Aufsichtsrat unbedingt einen ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden haben wollte.

Einen Manager könne man bezahlen, hieß es aus bestimmten Kreisen, aber keinen Vorstandsvorsitzenden. Einige hatten damals noch die Vorstellung, man könne einen Bundesligisten wie einen "normalen" Verein führen. Jürgen Neppe war damals im Aufsichtsrat der deutlichste Verfechter einer hauptamtlichen Lösung und hatte u.a. auch Heribert Bruchhagen auf dem Zettel. Er konnte sich aber nicht durchsetzen. Durchgesetzt worden ist dann ein ehemaliger Spitzen-Manager der Hoechst AG, der in der Frankfurter Stadtpolitik offensichtlich hoch angesehen war: Dr. Peter Schuster. Schon beim ersten Gespräch am Riederwald ging der auf Peter Fischer und mich zu und meinte: "Von Ihnen Beiden habe ich schon gehört! Sie sind die Haifische hier im System! Auf Sie habe ich ein Auge!" Da kam kein "Guten Tag" oder "Hallo". Und dann hatte er diese grandiosen Auftritte…

Das Größte war, als er bei einer Feier anlässlich des 40-jährigen Bundesliga-Jubiläums als Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt zu Franz Beckenbauer ging, um sich ein Autogramm zu holen. Das muss man sich mal vorstellen: "Guten Tag Herr Beckenbauer. Mein Name ist Peter Schuster, ich bin der neue Boss von Eintracht Frankfurt. Können Sie mir bitte ein Autogramm geben?" Es war zu peinlich! Nach einigen Tagen war der Druck von allen Seiten so groß, dass er zurücktreten musste.

Nach dieser Zeit habe ich auch mal daran gedacht, bei Eintracht Frankfurt aufzuhören, weil es wirklich drunter und drüber ging, man zu wenig bewegen konnte und es dem einen oder anderen Protagonisten mehr um seine öffentliche Darstellung als um die Sache ging. Die Übernahme durch Heribert Bruchhagen hat dies grundlegend geändert, der Profifußball ist in die richtigen Bahnen gekommen.

Hat sich durch Deine Freundschaft zu Peter Fischer jetzt automatisch auch das Verhältnis AG zu e.V. entspannt?

Ja, sicherlich. Wobei man fairerweise sagen muss, dass das schon länger entspannt ist. Das Verhältnis zwischen e.V. und AG hat in der Vergangenheit gelegentlich unter den handelnden Personen gelitten. Das Feindbild e.V. wurde immer mal wieder gepflegt, um die eigenen Truppen hinter sich zu versammeln. Es hieß dann gerne: "Wir müssen aufpassen! Wenn die im Verein wieder das Ruder in die Hand bekommen, die unseriösen Vereinsmeier das Kommando übernehmen, dann besteht die Gefahr, dass die Eintracht in alte Zeiten zurück fällt!". Aber vergleicht mal den Verwaltungsrat des e.V. von 1998 - einer Zeit, in der Eintracht Frankfurt schlimmste Fehler gemacht hat - mit dem Aufsichtsrat der AG von 2002, dann werdet Ihr erstaunliche Übereinstimmungen feststellen.

Da sind wir auch schon bei unserem nächsten Thema. Gibt es ein gemeinsames Konzept von e.V. und AG für die Zukunft?

Ich würde das anstreben. Man muss aber den sportlichen und den wirtschaftlichen Teil in der Beantwortung voneinander trennen. Wirtschaftlich, d.h. in operativen Themen müssen wir viel enger zusammenarbeiten. Der Prozess wird gerade begonnen. Über den sportlichen Teil kann ich gar nicht so viel sagen, weil ich da nicht die Verantwortung trage. Ziel muss es aber sein, möglichst viele eigene Nachwuchskräfte in den Profikader zu integrieren und sich mit dieser Philosophie in der ersten Tabellenhälfte festzusetzen, weil das bedeutet, dass man in einem besonders guten Jahr den Sprung nach Europa schaffen kann.

Ja, aber wir haben in den letzten Jahren immer etwas Gegenteiliges vom Vorstand gehört, und irgendwann konnte man es nicht mehr hören.

Ich glaube erstens, dass Heribert Bruchhagen in seinem Herzen immer anders gefühlt hat. Auch er will wie jeder von uns den größtmöglichen Erfolg. Zweitens wird die Bundesliga vom Prinzip eines vorbeugenden Erwartungsmanagements bestimmt. Das habe ich als Newcomer in dem Geschäft überall gemerkt. Wenn wir da auf die wirtschaftlichen Fakten im Wettbewerb schauen, kann ich verstehen, dass man nicht nur auf Visionen setzen kann.

Das liegt doch im Produkt! Wie soll man denn einen Sponsor gewinnen, wenn man sich den 10. oder 11. Platz als Ziel setzt?

Aber in der Situation waren wir doch bisher nicht. Wir hatten einen Sponsor, der war quasi gottgegeben. Und wir waren alle zufrieden, weil es ein guter Vertrag war. Der ganze Betrieb hier war nicht darauf gepolt, Euphorie oder Begeisterung bei einem Hauptsponsor zu entfachen, sondern um sich in der Bundesliga zu etablieren. Das haben wir gut gemacht, hatten ein gutes Ansehen und auch immer solide gewirtschaftet. Wir haben nie mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben, und das ist ja auch richtig, aber das allein zum Geschäftsprinzip zu erheben, wird in Zukunft nicht mehr reichen.

Bis auf die Fanthematik haben wir uns innerhalb der DFL quasi zum Musterknaben entwickelt und auf der Haupttribüne hat sich die Stadtgesellschaft gefreut, wenn die Bayern mal wieder im Stadion waren. Es hat sich so ein angenehmer Kokon der Selbstzufriedenheit entwickelt. Das liegt auch mit daran, dass viele unserer Stadionbesucher nicht von den `70er und den `90er Jahren geprägt sind. Ich habe aber eine kindlich emotionale Zeit der `70er und eine ganz bewusste Zeit der `90er Jahre erlebt, und als "Zeuge Yeboahs" kann es rein emotional nicht genug sein, in der Bundesliga einfach nur dabei zu sein. Vom Kopf her weiß ich auch, dass wir meilenweit davon entfernt sind, standardmäßig das zu leisten, was sich derzeit in der Tabelle abspielt. Dass es sehr schwer werden wird, dies in der Rückrunde zu wiederholen, wissen doch alle. Aber emotional ist es ganz einfach: Wir müssen wieder da hoch, weil Eintracht Frankfurt ein Verein ist, der dafür gemacht ist, international dabei zu sein. Ganz abgesehen davon macht es auch wirtschaftlich viel mehr Spaß, wenn man in solchen Regionen unterwegs ist. Konkret brauchen wir einen gefestigten Platz unter den ersten 10. Mit einem guten Kader kannst Du dann auch mal Platz 5 erreichen, und wenn es nicht so läuft landest Du auf Platz 11. Aber Du hast mit dem Abstieg nichts zu tun. In Geld ausgedrückt heißt das, dass Du einen Spieleretat von 35 Millionen Euro aufwärts brauchst. Da müssen wir hin, und das ist auch der Auftrag an den Vorstand für die nächsten drei bis fünf Jahre. Und mit diesen Rahmenbedingungen darfst Du auch nicht absteigen! Da müsste es schon knüppeldick kommen in einer Saison. Aber das ist nicht der Regelfall. Wir wollen ruhig und kontinuierlich arbeiten. Das hat Bruchhagen völlig richtig gemacht. Wenn Du bei jeder Kleinigkeit den Trainer auswechselst, wechselst Du auch das spielende Personal und die gesamte Spielweise aus, und damit wirst Du beliebig. So was wie jetzt muss man erhalten. Ob das dann immer auf dem Niveau geht, weiß ich nicht, aber die Art zu spielen musst Du Dir erhalten. Das ist ein Markenzeichen.

Ist es realitätsfremd, wenn man sagt: "Auch Armin Veh wird nicht ewig bei der Eintracht bleiben, der nächste Trainer muss diese Philosophie fortsetzen"?

Nein, das ist nicht fern der Realität. Ich halte das für einen richtigen und vernünftigen Weg. Das setzt aber voraus, dass sich die sportliche Leitung und der Vorstand vorher darüber geeinigt haben, wie das aussehen soll. Ich würde eine langfristige Philosophie begrüßen und glaube auch, dass ein Verein sportlich für etwas stehen muss. Das erhöht ja auch die Planbarkeit, wenn bei einem Spieler mal absehbar ist, dass er den Verein verlässt. Da kann man rechtzeitig einen Spieler verpflichten, der diese Lücke schließen kann. Wir können nur über kleine Schritte den Weg nach oben antreten, weil wir dem financial fairplay verpflichtet sind.

Aber was bringt uns financial fairplay? Wolfsburg, Hoffenheim und Co werden doch in der Winterpause sicher wieder fett investieren?

Das ist richtig. Der Weg zu financial fairplay wird nicht unmittelbar zu Gleichheit und Fairness führen, aber es ist schon mal wichtig, dass das Thema aufgeworfen wurde - übrigens sehr stark vorangetrieben von Bayern München. Die deutschen Vereine werden von diesen Anstrengungen im internationalen Fußball profitieren, weil die Bundesliga eine starke und ausgeglichene Liga ist. Ich glaube nicht, dass es nur Zufall ist, dass in Zeiten einer europaweiten wirtschaftlichen Krise die deutschen Clubs im europäischen Fußball aktuell so herausstechen. Eintracht Frankfurt hat hier übrigens auf europäischer Ebene, beispielsweise bei der European Club Association (ECA) einen guten Ruf.

Das heißt also, dass wir wenigstens vom Ansehen her da sind, wo wir nach unserem Selbstverständnis her auch hingehören?

Wir haben aber auch einen klangvollen Namen! Regional sind wir sowieso sehr stark! Es gibt in Deutschland kaum einen Club, der regional eine derartige Durchsetzung hat wie Eintracht Frankfurt. Dafür spielen wir national nur eine eher untergeordnete Rolle mit eher schlechten Sympathiewerten. Aber international haben wir dafür einen traditionsbehafteten guten Ruf. Das verdanken wir wohl der Zeit von 1960 bis 1980 und auch etwas den 90er Jahren, als wir noch regelmäßig international gespielt haben. Dass wir dann mal zehn Jahre von der Bildfläche verschwunden sind, hat unserer internationalen Bekanntheit nicht wirklich geschadet.

Kommen wir nochmal zu Heribert Bruchhagen: Da hieß es in der Öffentlichkeit immer, Ihr seid wie Wasser und Feuer.

Ich will rückblickend den einen oder anderen Konflikt nicht relativieren, auch wenn die Medien da gerne mit Übertreibungen gearbeitet haben. Man muss jedoch die Ausgangssituation verstehen: Er war Vorstandsvorsitzender der AG, ich war hauptamtlicher Geschäftsführer des e.V. Ich hatte bestimmte Interessen zu vertreten, die nicht immer mit denen von Heribert Bruchhagen in Einklang standen. Geeint hat uns immer die Leidenschaft für Sport, Fußball und die Eintracht. Darüber hinaus habe ich die Unternehmensstrategie der AG seit 2008 nicht mehr verstanden, bzw. erkennen können. Ich glaube, man war sich zu sicher, dass ein Abstieg nicht mehr möglich sein würde. Alle hatten sich bequem im Mittelmaß der Bundesliga eingerichtet und bestimmte Alarmsignale nicht beachtet. Das war ein schleichender Prozess. Die Bundesliga ist aber harter Wettbewerb, man darf nicht selbstzufrieden werden und man muss auch außerhalb des Platzes eine Teamformation finden, die funktioniert, wenn man dauerhaft erfolgreich sein will. Meine Kritik war damals nicht allen im Aufsichtsrat und schon gar nicht beim Vorstand willkommen.

Ich glaube, dass wir nun im Vorfeld unserer gemeinsamen Vorstandstätigkeit viele Themen offen und gradlinig ausgeräumt haben. Dass wir unterschiedliche Charaktere sind, muss man nicht besonders hervorheben, das ist für jeden offensichtlich. Wirklich kennen gelernt haben wir uns bei einigen Sitzungen im November 2011, und da habe ich gemerkt, er ist im fußballerischen Sinne ein Wertkonservativer, der Eintracht Frankfurt gut tut, und der in vielerlei Hinsicht mit der Fanszene und der FuFa voll im Einklang steht. Er ist zum Beispiel gegen die Überkommerzialisierung, er ist der Tradition verpflichtet und für die Erhaltung der 50+1 Regelung, für die Sozialverträglichkeit der Eintrittspreise und den Erhalt der Stehplätze. Es gibt mehr Verbindendes als Trennendes. Mein Verhältnis zu Heribert Bruchhagen ist inzwischen sehr gut und herzlich. Bei allen wichtigen Themen haben wir eine einheitliche Linie.

Aber trotzdem kam es doch so rüber, als würde sich Bruchhagen z.B. bis zum Schluss gegen einen sportlichen Direktor wehren, obwohl spätestens nach dem Abstieg klar war: So kann es nicht weitergehen.

Ja, aber dass es dabei zu Unstimmigkeiten kam, lag ja vor allem an der Art und Weise, wie die Diskussion damals öffentlich lief. Das kann ich rückblickend aber auch nachvollziehen. Jetzt wo wir mit Bruno Hübner eine gute Lösung gefunden haben, hat das keine Bedeutung mehr. Inzwischen sagt er ja selbst: "Es war die aller richtigste Entscheidung, einen Sportdirektor zu holen".

In der letzten Heimspiel-Sendung hast Du durchklingen lassen, dass wir als Ausbildungsverein unter Umständen immer wieder gezwungen sind, Spieler wie Jung oder Rode zu verkaufen, wenn die wirtschaftlichen Zwänge da sind.

Allgemein sage ich, wir werden Spieler entwickeln müssen, um sie auf dem Markt anzubieten. Alles andere ist naiv. Es gibt ja Beispiele in Europa, die es schaffen, immer wieder Spieler abzugeben und trotzdem international dabei zu sein. Ich nenne da mal Udinese. Die machen sogar Gewinn. In Deutschland haben wir zurzeit die Situation, dass man mit dem 7. Platz immer mal die Chance hat, international dabei zu sein. Dabei muss man aber planvoll vorgehen, und dabei muss man sich auch von Spielern in einem bestimmten Entwicklungsstadium trennen. Unser Nachwuchsbereich hat in den vergangenen Jahren immer wieder gute Spieler hervor gebracht, aber die wirtschaftliche Verwertung passierte wie bei Ochs und Russ nur in Krisensituationen wie dem Abstieg. Hier sollten wir ansetzen und überlegen, wie wir damit in Zukunft weiterkommen.

Da muss natürlich auch der Trainer mit einbezogen werden, weil der letzten Endes die Mannschaft zusammen- und aufstellt, und dabei auch die innere Struktur berücksichtigen muss. Daran scheitern oft solche Entwicklungsmodelle in den Profi-Kader hinein. Deshalb hatten wir leider auch immer wieder Spieler, die es nicht bei uns, aber bei anderen geschafft haben. Ein Beispiel: Timothy Chandler. Der hatte bei uns auf der rechten Seite aber Ochs und Jung vor sich. Kirchhoff (wechselt von Mainz zu Bayern München, Anm. d. Red.) hat sich bei uns in der Jugend nicht in den Vordergrund gespielt, so dass sein Potenzial nicht erkannt worden ist. Aus heutiger Sicht, war es ein Fehler ihn wegzuschicken. Manche Jungs entwickeln sich aber eben nur unter bestimmten Trainertypen. Ob sich Rode unter einem anderen Trainer so entwickelt hätte, wie unter Veh, wage ich mal zu bezweifeln. Wenn er jetzt nach Dortmund wechseln würde, bestünde die Gefahr, dass er zum Bankdrücker wird, zumindest aber weniger Einsätze hätte. Bei einem Verein wie Leverkusen hätte er - außer vielleicht finanziell - keine viel bessere Perspektive, als bei Eintracht Frankfurt. Bayern mag ihn haben wollen, aber dort ist die Konkurrenz ganz groß und ins Ausland zu gehen, würde in dieser Phase für ihn gar keinen Sinn machen. Ich denke mal, es gibt daher eine Chance, ihn zu halten.

Kommen wir mal zum Thema 12:12. Wie hat man es geschafft, dass das Thema gerade in Frankfurt nicht eskaliert. Natürlich war da der Druck aus der Politik, und wenn man sich mal anschaut, was da alles gefordert wurde, hat man hier in Frankfurt wohl im Verhältnis zu den Fans das Optimum raus geholt.

Ich muss da erst mal vorausschicken, wie die politische Lage im letzten Sommer im Zusammenhang mit dem Thema "Gewalt im Fußball" war, damit man das ganze Bild versteht. Die deutsche Innenpolitik war aufgrund der Pannen bei der Aufklärung der Taten der NSU öffentlich unter Druck, und es musste ein Thema her, bei dem man im besonderen Maße Handlungsfähigkeit zeigen konnte. Da kamen die verschiedenen Ausschreitungen, Platzstürme, Bengalozündeleien, etc. zum Ende der letzten Saison gerade recht, um das Thema "Gewalt im Fußball" hochzuziehen. Es waren in der Tat aber auch Vorgänge, ob bei unseren Spielen oder anderen, die in dieser Form dem Fußball nachhaltig geschadet haben und natürlich die Politik auf den Plan rufen mussten. Dazu kam, dass die Medien das Thema noch für sich entdeckt haben, und fertig war eine Mixtur von öffentlicher Hysterie, die dem tatsächlichen Gefährdungsgrad der Vorgänge nicht gerecht geworden sind. Leider war Eintracht Frankfurt mittendrin in den Schlagzeilen, so wie Köln, Hertha, Düsseldorf und Karlsruhe. Aufgrund unserer Vorgeschichte waren wir aber in ganz besonderem Maße im Blickfeld. Wenn der Verband oder wir als Verein das Thema nicht aktiv in die Hand genommen hätten, dann wäre es uns von Politik und Verwaltung aus der Hand genommen worden. Die Botschaft war unmissverständlich, und aus allen Gesprächen, die ich zu der Zeit führen oder begleiten durfte, war nur der eine Schluss zu ziehen: Es ist allen ernst, und das Ende der Fahnenstange ist erreicht.

Diese Situation habe ich ab Sommer in Gesprächsrunden dem Fansprechergremium, der FuFA, Nordwestkurve, der UF und einigen Fan-Clubs in verschiedenen Runden dargestellt.

Auch wenn ich der aktiven Fanszene zugegebenermaßen inzwischen etwas entwachsen bin, besitze ich aber in vielen Fankreisen die Glaubwürdigkeit, dass sie wissen, dass ich ihnen keine Scheiße erzähle. Aus meiner Sicht gab und gibt es auch nur eine einzige Möglichkeit als Verein, damit umzugehen: Man muss alles vollkommen transparent machen. Du musst einen Diskussionsprozess eröffnen und in alle Richtungen vollkommen transparent argumentieren.

Ich weiß auch nicht, ob das Optimum rausgeholt worden ist. Ich weiß aber, dass wir es bei Eintracht Frankfurt geschafft haben, dass Fußball AG und organisierte Fangruppen einen in der Sache bestechenden, politisch sauberen und für die Zukunft vorbildlichen Weg eingeschlagen haben, um den wir nicht nur im Ergebnis, sondern auch klimatisch beneidet werden.

Die Anregungen und Änderungsvorschläge, die in den Fanbeiratssitzungen zu dem Sicherheitskonzept kamen, waren fundiert und wohl überlegt. Das war eine Diskussion auf hohem Niveau und die Kritik haben wir aufgenommen, obwohl der Vorstand immer deutlich gemacht hat, dass er im Ergebnis einer Umsetzung bestimmter Maßnahmen des Sicherheitskonzepts zustimmen werde. Ich glaube, dass man fair und offen miteinander umgehen kann, auch wenn man unterschiedliche Interessen zu vertreten und unterschiedliche Rollen einnehmen muss.

Das gibt ja gerade in Frankfurt Anlass zur Hoffnung. Man muss halt sehen, wie das mit Leben gefüllt wird. Gerade im Hinblick darauf, dass Holzhäuser am 12.12. in der Bildzeitung mit dem Satz "Ich bin ein Freund von Vollkontrollen" zitiert wurde, und unser nächstes Spiel in Leverkusen ist.

Das ist schon richtig, aber ich glaube, dass wird anders ablaufen. Wenn Leverkusen vor dem Spiel solche Zelte wirklich aufstellen will, was ich mir aktuell nicht vorstellen kann, werden die uns im Geiste dieses Papiers vorher davon in Kenntnis setzen. Die müssen einen Dialog beginnen. Und dann wird zum Beispiel Wolfgang Holzhäuser bei mir anrufen, und ich werde ihn darum bitten, mir den Hintergrund zu erklären. Dann wird er mir erzählen, dass das ein Hochrisikospiel ist, weil die Frankfurter in den letzten Jahren immer gezündelt hätten, und dass man sowieso vorhabe, das in Leverkusen regelmäßig einzuführen. Da werde ich protestieren und nachhaken, nach welchen Kriterien die jeweiligen Personen raus gezogen werden. Dann werden wir natürlich auf Beobachter bestehen und so weiter. Es wird also in Zukunft, wenn man die Regeln der DFL ernst nimmt, nicht einfach damit getan sein, ein Zelt aufzubauen und dann einfach laufen zu lassen. Man wird sich erklären, rechtfertigen und dokumentieren müssen und das unter Beobachtung des Gastvereins.

Dort, wo nichts vorfällt, werden die Einsatzmöglichkeiten enger.

Wäre die Zeltaktion vom Bayern-Spiel möglich gewesen, wenn das Papier da schon verabschiedet gewesen wäre?

Etwas augenzwinkernd sage ich, dass für die Bayern immer eigene Regeln gelten. Mit der "Mir-san-mir"-Position lebt es sich etwas ungenierter, und genau darauf muss man sich klug einstellen und vorbereiten. Vor allem darf man sich nicht provozieren lassen, das würde alle Falken stärken und entsprechende Polizeieinsätze im Nachhinein rechtfertigen. Ein wenig schien mir das auch der Plan bei unserem letzten Spiel in München gewesen zu sein. Aber unsere Fans haben da genial reagiert und sich überhaupt nicht provozieren lassen. Da waren 250 Boykotteure, und die haben die Provokationen von außen komplett ignoriert. Da muss ich auch die Capos an der Front loben. Es gab keinerlei Vorfälle. Stellt Euch mal vor, es hätte 30 Festnahmen wegen Übergriffen gegen die Polizei gegeben. Aber die Jungs haben sich vorbildlich verhalten.

Aber nochmal zurück zur Sicherheitsdebatte: Nach dem Sicherheitsgipfel im letzten Sommer war mir klar, dass ich in die Sicherheitskommission rein muss. Gerade Eintracht Frankfurt muss doch zeigen, dass wir bereit sind, an bestimmten Themen zu arbeiten. Und da habe ich einen großen Vorteil: Ich kenne die Situation des Fans aus eigener Erfahrung: Ankunft am Bahnhof, reingetrieben in die Shuttlebusse, eine Dreiviertelstunde im Zugangsbereich stehen, überall abgetastet zu werden und andere unschöne Dinge, die ich hier nicht erwähnen möchte. Ich habe versucht, an einigen Stellen in der Sicherheitskommission klarzumachen, dass die Gefahr besteht, dass man den Fußball völlig an der Basis vorbei entwickelt. Und wenn man das Ursprungspapier, mit dem die Innenminister in diese Konferenz gegangen sind, mit dem vergleicht, was am Ende heraus gekommen ist, dann ist das ein echter Erfolg, an dem die Fanszene von Eintracht Frankfurt großen Anteil hat.

Und wie geht das jetzt weiter? In Frankfurt scheint es ja relativ befriedet zu sein. Aber andere Fangruppen scheinen ja regelrecht gespalten zu sein. Warum kann man dort nicht auch durch entsprechende Gesprächsrunden Aufklärung betreiben?

Ich glaube, dass die Liga und alle Vereine noch mehr lernen müssen, bestimmte Themen, die sich an der Nahstelle zwischen Fankultur, Sicherheit und Kundenbedürfnissen bewegen, viel intensiver mit den Vorstellungen ihrer Fans und Zuschauer in Einklang zu bringen. Und Dialog macht nur dort Sinn, wo man sich ehrlich mit den Argumenten des anderen befasst. Bei Fragen der Sicherheit heißt das, dass man eine innere Akzeptanz der Regeln erreichen muss, und die wird nur möglich sein, wenn es einen gemeinsamen Nenner von objektiv notwendigem Sicherheitsbedürfnis und lebendiger Fankultur gibt, auf dem sich alle bewegen wollen. Wird das erreicht, dann gibt es keine Grundsatzkonflikte, sondern nur einzelne Sanktionsmaßnahmen. Wird das verfehlt, ergeben sich Gruppenkonflikte und Protestbewegungen. Wir streben in Frankfurt den gemeinsamen Nenner aller Beteiligten an, und ich glaube, dass dieser Weg von allen anderen Vereinen auch eingeschlagen werden sollte, wenn sie an einem dauerhaften Miteinander auf Augenhöhe interessiert sind. Repressionen allein werden uns bei der Lösung nicht helfen.

Andersherum und etwas zugespitzt gesagt: Wie soll man seinen Vater lieben, der einen ständig schlägt. Das geht völlig an der Lebensrealität vorbei. Und das müssen einige Clubs, die eine ganz andere Vergangenheit haben als Eintracht Frankfurt vielleicht noch lernen. Das war seit Ende der 90er Jahre schon immer so, dass die Fans bei Eintracht Frankfurt politischer waren als anders wo. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir über viele Jahre immer wieder Führungskrisen hatten, so dass die Basis viel Einfluss auf die Politik des Clubs genommen hat. Und wenn die Tür erst mal offen ist, kannst Du die Leute nicht mehr zurück schicken und sagen "Ab jetzt ist das Mitdenken verboten". Es gibt Clubs, bei denen hat das Mitdenken nie stattgefunden. Ich finde, dass unsere kreative und aktive Fanszene ein positives Markenzeichen von Eintracht Frankfurt ist, auch wenn ich mir bei der einen oder anderen Aktion als Funktionär sicherlich mal früher ein Stoppschild gewünscht hätte.

Du hattest ja in der Sommerpause laut darüber nachgedacht, dass Bezieher einer Dauerkarte eine Art Erklärung unterschreiben zu lassen, mit der man sich von Gewalt und Pyro distanzieren sollte. Nun findet sich dieser Gedanke in der geplanten Satzungsänderung des Vereins wieder.

Zum Teil, aber die Idee, die dahinter steht, ist, dass wir versuchen sollten, unsere Probleme als Eintracht Frankfurt selbst zu regeln. Wenn sich jemand im Stadion daneben benimmt, soll er nicht gleich bei jeder Tat mit Polizei und Staatsanwaltschaft konfrontiert werden. Die Sanktionen sollten in erster Linie auf Vereinsseite liegen und eben nicht nur als Standardsanktionsmittel ein Stadionverbot zur Folge haben. Das wird niemandem helfen. Wie würde es dagegen aussehen, wenn sich Fans, die dann auch mal einsehen, dass sie ganz einfach Mist gebaut haben, als "Strafe" gemeinnützige Arbeit zum Beispiel im Verein am Riederwald leisten. Sie würden nicht auf Jahre aus den Stadien ausgesperrt werden und könnten eher im Gegenteil etwas für die Gemeinschaft tun. Das kann mitunter heilsame Erkenntnisse mit sich bringen. Ich glaube, dass wir viel stärker in diese Richtung denken müssen und das auf eine breite Basis in der Fanszene stellen müssen.

Was ist Dein Wunsch für die Eintracht 2013?

Dass wir eine ruhige Saison erleben - sportgerichtlich gesehen. Und natürlich dass wir weiter so guten Fußball spielen. Die Begeisterung der Menschen rund um die Eintracht, ob im Stadion oder in der Stadt - das macht einen Riesenspaß! So abgedroschen sich das jetzt wirklich anhört, aber da weißt Du, wofür Du das tust.