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Benjamin Köhler: „Wie schwierig ist es, einen Eckball gefährlich in die Mitte zu schlagen?“

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(bom/as) Benjamin Köhler hat mit stetig guten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Grund genug, sich endlich auch mal mit ihm zu unterhalten. Noch vor Jahresende haben wir ihn getroffen.


Weißt du noch, gegen wen du dein erstes Bundesligaspiel gemacht hast?

Ja, das war mit der Hertha in Frankfurt. Ich wurde fünf Minuten vor Schluss mit Thorben Marx zusammen eingewechselt, und wir haben 4:0 gewonnen…

…Ja, wir erinnern uns an dieses Spiel!

(lacht) Das war mein erstes Spiel - das vergisst man nicht.

Von der Hertha aus der Bundesliga zu Duisburg in die 2. Liga, zu Essen in die 3. Liga. War da für dich mit 24 Jahren der Zug zur Bundesliga nicht schon abgefahren?

Ich habe damals bei der Hertha noch ein Angebot bekommen, damit war ich aber nicht zufrieden. Ich wollte einen Neuanfang wagen und bin in die 3. Liga, um dort auch genügend Spielpraxis zu bekommen. Ich bin erst mit Essen und dann mit der Eintracht aufgestiegen, seitdem spiele ich in der ersten Liga. Natürlich war da auch Glück dabei, aber ich hatte nicht daran gedacht, dass der Zug für mich abgefahren sein könnte.

Wie kam es damals zum Wechsel zur Eintracht? Du warst gerade mit Essen in die 2. Liga aufgestiegen, hast dich dann aber für die Eintracht, die ebenfalls in der 2. Liga spielte, entschieden.

Essen wollte die Klasse halten, und die Eintracht wollte aufsteigen - da war die Eintracht einfach die bessere Option. Ich hatte alles richtig gemacht: Wir sind auf-, und Essen ist abgestiegen.

Als die Eintracht damals in Essen gespielt hat, wurdest du dort von den Fans ganz schön ausgepfiffen. Kannst du dich daran noch erinnern?

An das Spiel kann mich noch erinnern, aber nicht, dass ich ausgepfiffen wurde. Wenn man den Verein wechselt sind die Fans oft sauer, aber warum das so ist, kann ich auch nicht erklären. Immerhin habe ich ja auch dem Verein zum Aufstieg verholfen.

Du hast viele Spielzeiten auf der Bank begonnen und dich dann doch durchgesetzt. Keine Frage ein Beweis deiner Qualität. Hast du mal an Abschied gedacht, gab es Angebote anderer Vereine?

Natürlich gab es viele Phasen, wo ich nicht so häufig gespielt habe, und dann denkt man auch darüber nach, sich vielleicht nochmal zu verändern. So war das zum Beispiel auch im letzten Winter, als ich unter Michael Skibbe kaum eine Rolle gespielt habe. Aber zum Glück hat sich das geändert, und ich komme ja in der Saison so auf meine 20 bis 25 Spiele.

Gab es auch schon konkrete Angebote von anderen Vereinen?

Es gab eine Option, aber die will ich jetzt nicht verraten (lacht).

Dein Vertrag verlängert sich bei einer bestimmten Anzahl von Einsätzen. Um welche Zahl geht es da?

Das möchte ich nicht sagen (lacht).

Eher 20 oder eher 30 Spiele?

Keine Ahnung, das weiß nur mein Berater (lacht). Das ist aber auch nicht ausschlaggebend. Ich denke, dass beide Seiten gerne verlängern würden und es da nicht darum geht, wie viele Spiele ich gemacht habe. Ich würde gerne hierbleiben, wenn alles passt. Aber darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Ich konzentriere mich jetzt auf den Fußball und möchte erst mal die Hinrunde fertigspielen.

Mit über 250 Spielen hast du ja schon vieles erlebt, in allen großen Stadien in Deutschland gespielt. Wo macht es am meisten Spaß? Auf welche Spiele in einer Saison freust du dich besonders?

Ich spiele von der Atmosphäre und den Stadien her am liebsten in Dortmund und Hamburg. Es gibt nicht so viele Vereine wo so gute Stimmung ist…Schalke vielleicht noch, und in Frankfurt sind wir, wenn es um die Fans geht, auch ganz oben mit dabei.

258 Spiele, 38 Tore. Erinnerst du dich noch an dein schönstes Tor? Welches war das?

Damals beim ersten Heimspiel in der 2. Liga gegen Karlsruhe habe ich ein schönes Tor gemacht und dann noch ein Jahr später zu Hause gegen Köln, als wir 6:3 gewonnen haben.

…und dein wichtigstes Tor?

Ich denke, das war, als wir vor zwei Jahren gegen Karlsruhe in der 80. Minute das 0:1 bekamen und am Abgrund standen, als ich im Gegenzug den Ausgleich geschossen hatte.

Stimmt! Und wenn man sich heute über dieses Spiel unterhält redet jeder nur über das 2:1 von Amanatidis. Du hast übrigens auch das wichtige 1:0 im Aufstiegsspiel gegen Burghausen geschossen.

Oh ja, stimmt!

Weißt du schon was du nach deiner Karriere machen willst?

Das lässt sich schwer sagen. Ich fühle mich immer noch fit, ich bin selten verletzt und habe eine gute Kondition - bisher habe ich mir noch nicht so viele Gedanken über das Karriereende gemacht.

Fühlst du dich in Frankfurt heimisch?

Ich fühle mich hier heimischer als in Duisburg oder Essen. Ich bin ja jetzt auch schon über sechs Jahre hier, da hat man sich ja auch einen Freundeskreis aufgebaut, und die Stadt mag ich auch.

Hast du auch ein Freundeskreis abseits vom Fußball?

Ich habe ein, zwei gute Freunde neben den Mannschaftskollegen. Aber dennoch werde ich am Ende wieder in Berlin landen.

Gibt es dennoch was, was dir an Frankfurt besser als an Berlin gefällt?

Ja, das nicht alles so weit auseinander ist (lacht). Aber Frankfurt ist ja schon eine Großstadt, und ich könnte mir auch vorstellen, hier zu leben. Aber Berlin ist meine Heimat, und da ist meine Familie. Das hat für mich Priorität.

Du warst ja auch als Kind Hertha-Fan. Hat dich der Abstieg geschmerzt?

Ich war eher Dortmund-Fan. Als ich Kind war, war gerade die Zeit mit Riedle und Chapuisat, aber das hat sich mittlerweile gelegt. Jetzt schaue ich eher auf Berlin. Klar hat mich der Abstieg beschäftigt: Ich bin aus Berlin und Friedhelm Funkel war dort Trainer. Wenn so ein Verein mit so einer Mannschaft runtergeht ist es schon hart.

Links vorne, links hinten, jetzt zentral. Wenn du dich selbst aufstellen dürftest, auf welcher Position und mit welchen Aufgaben würdest du das tun?

Im Mittelfeld, halblinks. Im defensiven Mittelfeld, wo ich momentan spiele, macht es mir auch sehr viel Spaß. Auch wenn man es wegen meiner Körpergröße vielleicht nicht denkt, habe ich es vielen Leuten gezeigt, dass ich das spielen kann. Mit Pirmin Schwegler und mir fehlt uns vielleicht die Lufthoheit, aber es kommt sicher auch auf die fußballerische Qualität an.

Da du ihn ja selbst schon erwähnt hast: Friedhelm Funkel war schon ein sehr wichtiger Trainer in deiner Karriere, oder?

Klar, er hat mich nach Frankfurt geholt, mich aufgebaut und immer spielen lassen. Ab und zu telefonieren wir noch miteinander.

Was hat sich aus deiner Sicht unter Michael Skibbe geändert?

Der Trainer legt viel Wert auf fußballerisches Können, es werden jeden Tag Pass- und Spielformen einstudiert. Er will auch etwas offensiver spielen lassen.

Wo siehst du die Eintracht am Saisonende? Ist ein schielender Blick nach oben realistisch?

Man kann jedes Spiel gewinnen, das haben wir gezeigt. Es wird immer sehr viel rein interpretiert wie: "Jetzt sind die mal oben dran, und dann wollen sie nicht". Wir wollen alle im Europapokal spielen, aber wir müssen erst mal unsere Arbeit machen und versuchen, uns von Spiel zu Spiel zu konzentrieren - wenn man ein paar Punkte mehr gesammelt hat, kann man sich darüber mal Gedanken machen. Jetzt ist alles noch zu früh.

Welche Erinnerungen hast du an die UEFA Cup-Spiele mit der Eintracht?

Das war eine schöne Erfahrung. Vor allem ist mir noch das Spiel in Istanbul im Gedächtnis - so ein lautes Stadion habe ich noch nie erlebt!

Du wirst ja auch oft auf deine gemeinsame Schulzeit mit Sido angesprochen. Wie lange wart ihr zusammen in einer Klasse?

Vier Jahre. Damals war das bei uns ein bisschen anders gewesen. Wir hatten keine Klassen, sondern Großgruppen mit über 100 Schülern. Sido und ich hatten ein paar Kurse gemeinsam. Wir kannten uns zwar, hatten aber keine enge Freundschaft. Sido war halt ein Mitschüler von mir.

Gerade äußerlich wirst du aber gerne mit Bushido verglichen. Kannst du dich als Berliner mit seiner Musik gut identifizieren?

Ja, vielleicht. Ich habe die Musik schon gehört als ich in noch in Berlin gelebt habe. Ich weiß aber nicht warum ich gerne mit ihm verglichen werde…vielleicht wegen meiner Frisur und weil ich seine Musik höre. Ich höre generell gerne Deutschen Hip Hop wie beispielsweise Kool Savas.

Bei unserer Recherche vor diesem Interview konnten wir keinerlei persönlichen Dinge von dir im Internet finden. Keine Facebook Seite, keine eigene Homepage. Hast du kein Interesse an den neuen Medien oder möchtest du einfach nicht alles nach draußen tragen?

Ich finde sowas übertrieben. Das Privatleben geht nicht jeden was an. Natürlich ist das eine gute Kontaktbörse um zum Beispiel alte Freunde wieder zu treffen. Ich habe da aber keinen Bezug zu und habe keine Lust den ganzen Tag vorm Internet zu sitzen, wenn ich mit jemanden Kontakt haben möchte, rufe ich ihn an.

Du wirst in jedem Interview auf dein recht schlechtes Standing in der Fanszene angesprochen. Deine Fehler werden oft kritischer gesehen werden, als die anderer Spieler. Was genau hast du an Beschimpfungen mit bekommen?

Da war ja mal die Zeit, als Alex Meier und ich einen sehr schlechten Ruf hatten. Was genau geschimpft wird, bekomme ich aber nicht mit, Pfiffe hingegen schon.

Du kannst dir aber nicht erklären woran das liegt?

Keine Ahnung warum. Es sind ja immer nur einzelne Fans. Es ist aber für einen Spieler nicht so schön, wenn man das mitbekommt.

Bekommt man dadurch eine gewisse Distanz zur Fanszene?

Auf jeden Fall! Es gab eine Zeit, in der mir das egal war, aber mittlerweile hat sich das ja auch gebessert. Es wird ja immer ein Buhmann gesucht, momentan ist es der Halil Altintop, was ich so mitbekomme. Verstehen tue ich es aber nicht. Klar, wir bekommen viel Geld für unsere Arbeit, und die Fans sehen das immer mit anderen Augen, aber wir machen auch nur unseren Job und haben halt auch mal einen schlechten Tag. Das sollte man aber alles nicht so eng sehen.

Woran liegt es, dass die Mannschaft selbst nach überraschenden und herausragenden Siegen zum Feiern mit den Fans gezwungen werden muss? Ist die Freude nach einem 2:1 Sieg über die Bayern nicht so groß, dass man explodiert?

Es kommt schon auf das Spiel an. Aber sowas ist spontan und muss vom Gefühl herkommen. Ich persönlich bin nicht der emotionale Typ, der aus sich raus kommt. Wenn sowas kommt dann eher von Mike Franz, Ioannis Amanatidis oder Chris. Ich würde jetzt aber auch nicht "Nein" sagen wenn es heißt "Kommt, wir machen mal einen Diver!"

Gerade nach einem Auswärtssieg müssen die Fans euch immer noch mal rufen damit ihr näher an den Zaun geht. Wisst ihr, was eine Auswärtsfahrt für einen Fan bedeutet? Könnt ihr euch vorstellen, was das an Zeit und Geld kostet?

Wenn du mir das jetzt so sagst, sehe ich schon, was die Fans dafür investieren, aber in dem Moment, da bin ich ganz ehrlich, macht man sich darüber weniger Gedanken. Aber wir sehen ja wie viel immer mitfahren.

Es waren ja auch über 50 Fans mit in Vietnam. Hast du von der Reise irgendetwas Besonderes mitgenommen?

Die Hitze natürlich (lacht). Aber man hat schon gesehen, wie gut es einen in Deutschland geht. Die Menschen wohnen da zu zehnt in kleinen Häusern und haben kein Geld. Also, ich würde da nicht gerne leben.

Freut man sich als Spieler auf so eine Fahrt oder sieht man das eher als lästige Berufspflicht an?

Manche fanden das nicht so toll. Ich habe mich gefreut, da ich mit meiner Freundin eh schon lange mal nach Thailand und Vietnam wollte. Es gibt zwar schöne Strände, aber ich hatte es mir anders vorgestellt. Klar war das stressig, aber ich habe mich darüber gefreut, mal was anderes zu sehen.

Die brennendste Frage in der Fanszene... Wie schwierig ist es, einen Eckball gefährlich in die Mitte zu schlagen? Es hat so den Eindruck als würden die meisten deiner Ecken kniehoch an den ersten Pfosten kommen, oder wie siehst du das?

Das sehe ich nicht so. Rechne mal hoch, wie viele von 50 Ecken so kommen, lass es vielleicht mal zehn sein. Ich finde das immer noch eine gute Quote. Aber mittlerweile schießt ja der Tzavellas die meisten Ecken, der bringt die ja immer ziemlich scharf rein. Mir ist das auch egal, wer die ganzen Standards schießt. Ich blende das aus, wenn die Fans pfeifen, dann sollen die das mal versuchen. Der einzige der in der Bundesliga perfekt Ecken und Freistöße bringt ist Nuri Sahin.

Wir machen aber nach Ecken schon eher wenig Tore als andere Vereine würde ich sagen.

Das muss ja nicht unbedingt was mit den Eckstößen zu tun haben. Es gibt immer Phasen da macht man mal mehr oder mal weniger Tore nach Ecken. Als wir zum Beispiel den Kyrgiakos noch hier hatten…der hat die Kopfbälle so auf das Tor gebracht wie andere Spieler schießen. Ich kenne jetzt auch die Statistik nicht genau. Klar, kann es besser nach Standards sein, aber manchmal passt es eben und manchmal nicht.

Dann vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast!

Nichts zu danken.

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